Man kann davon ausgehen, dass sich Donald Trump bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung am Dienstag konzilianter und staatsmännischer geben wird als bei bisherigen Auftritten. Seit einigen Wochen erleben die USA einen neuen Präsidenten – der lieber mit den Demokraten als mit seinen republikanischen Parteifreunden Vereinbarungen trifft; der gegenüber jungen illegalen Einwanderern Herz zeigt und dabei seinem eigenen Justizminister in den Rücken fällt; der etwas weniger manisch-aggressiv tweetet als sonst; und der sich auch in der Außenpolitik dem Washingtoner Mainstream annähert. Das ungeliebte Iran-Abkommen wird zähneknirschend beibehalten, und sogar beim Pariser Klimavertrag, den Trump einst mit großen Worten verworfen hat, deuten seine engsten außenpolitischen Berater im Vorfeld des UN-Gipfels ein Einlenken ein.

Offenbar zeigt der Ausstieg seines radikalnationalistischen Beraters Steve Bannon Wirkung, ebenso der wachsende Einfluss von Stabschef John Kelly. Vor allem aber dürfte die Trumps Frustration mit der republikanischen Kongressspitze, die er für seine bisherigen legistischen Niederlagen verantwortlich macht, den Ausschlag für den überraschenden Kurswechsel gegeben haben. Trump hat keinen ideologischen Kern, er will nur gewinnen und bewundert werden. Da ihm die Republikaner weder Siege noch Beliebtheit liefern können, flirtet er mit den Demokraten, zu denen er sich in jüngeren Jahren ohnehin gezählt hat. Da weder seine "Amerika zuerst"-Rhetorik noch seine Drohungen gegenüber Handelspartnern wie China und Mexiko oder Schurkenstaaten à la Nordkorea und Iran Erfolge zeigen, besinnt sich Trump seiner diplomatischen Neigungen, die ihm als Unternehmer einst gute Dienste geleistet haben.

Zornig, nationalistisch und menschenverachtend

All das ist für das In- und Ausland eine positive Entwicklung. Mit Überparteilichkeit lassen sich die Probleme im Gesundheits- und Einwanderungssystem viel eher lösen als durch stramme rechtskonservative Politik, da gäbe es sogar eine Chance für eine sinnvolle Steuerreform. Und ohne Beteiligung der USA kann internationales Krisenmanagement kaum funktionieren, weil die Europäer zu schwach sind, während China und Russland zu wenig globales Verantwortungsbewusstsein haben. Mit einem manierlosen US-Präsidenten an der Tafel ist die Staatengemeinschaft immer noch besser dran, als wenn dieser im Vorraum sitzt und tobt.

Doch allzu viel darf man sich von der jüngsten Kurskorrektur nicht erwarten. Trump setzt sich innenpolitisch damit zwischen die Stühle, er empört seine Partei und vergrault seine treuesten Anhänger, ohne das Vertrauen der politischen Mitte zu gewinnen. Der nächste Rückschlag – und der kommt bestimmt – wird ihn wieder seine zornige, nationalistische und menschenverachtende Natur hervorkehren lassen. Und wenn er nach seiner New Yorker Rede nicht jenen Zuspruch erhält, den er für sich beansprucht, kann auch das zarte Tauwetter zwischen den USA und ihren Verbündeten rasch wieder verfliegen.

Andere Staaten lernen es notgedrungen, mit diesem US-Präsidenten zu leben, so wie sich auch die eigene Nation allmählich auf ihren erratischen Staatschef einstellt. Aber Verlässlichkeit und Paktfähigkeit, die wichtigsten Eigenschaften jedes Spitzenpolitikers, wird man sich von Trump nie erwarten können. Das beweist er selbst in seinen vernünftigeren Phasen. (Eric Frey, 19.9.2017)