Wien – Weitgehend freundlich sind sich SPÖ-Chef Christian Kern und Grünen-Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek beim TV-Duell auf Puls 4 am Montagabend begegnet. Lunacek sagte ihre Unterstützung für eine Mietrechtsreform zu, der Kanzler kann sich wiederum gemeinsame Vorstöße in der Asylpolitik, etwa die Wiedereinführung des Botschaftsasyls, vorstellen.

Während Lunacek vergangene Woche mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ordentlich zusammengekracht war, verlief die Konfrontation mit Kern deutlich entspannter. So räumten die beiden auch unumwunden ein, dass man bei vielen Themen auf ähnlicher Linie sei, etwa bei Mieten. Kern will noch vor der Wahl ein Mietrechtspaket durchbringen mit dem Ziel, die Mieten zu senken. "Da sind wir gerne bereit mitzugehen", erklärte Lunacek – im Gegensatz zur FPÖ, wie sie nicht vergaß zu erwähnen.

Botschaftsasyl soll wiederkommen

Ein gemeinsames Projekt ist offenbar auch in der Asylpolitik denkbar, nämlich die Wiedereinführung des Botschaftsasyls. Das wäre eine Möglichkeit, einen legalen Fluchtweg zu schaffen, sagte Lunacek. Man habe einen Sieben-Punkte-Plan gegen illegale Migration vorgelegt, der auch das vorsehe, meinte Kern. Er bezog sich dabei wohl auf die Forderung nach Verfahrenszentren außerhalb der EU, wo die Asylverfahren in Kooperation mit dem UNHCR nach Menschenrechtsstandards durchgeführt werden sollen, denn Botschaftsasyl an sich findet sich in seinem Papier nicht. Es brauche ein Gesamtpaket, erklärte der SPÖ-Chef: Man müsse einen Schritt nach dem anderen setzen, etwa die Außengrenzen schützen, "und dann gehört auch das dazu".

Wie können wir den Klimawandel stoppen?
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Kritik der Grünen an seiner Haltung zum Freihandelsabkommen Ceta wies Kern zurück: Er stehe zum Handel, Österreich als Exportnation profitiere auch davon. "Unbehagen" bereiteten auch ihm die vorgesehenen Sonderklagsrechte – diesen Teil wolle er als Regierung dem Parlament nicht zur Ratifizierung vorlegen, womit er auch nicht in Kraft trete, kündigte Kern an. Das halte er "für einen sehr vernünftigen, diplomatischen, salomonischen Weg".

"Nicht nett"

Nicht einer Meinung waren Kern und Lunacek in der Klimapolitik. Während die Grünen ein Neuzulassungsverbot für Pkws und Lieferwagen mit Verbrennungsmotor ab 2030 fordern, lehnt die SPÖ ein Verbot von Dieselmotoren ab, stattdessen müsse man die Rahmenbedingungen für Elektroautos verbessern. Dass die Grünen ihn als Kritik an seiner Klimapolitik mit Sonnenbrand plakatiert haben, findet der Kanzler übrigens "nicht nett". "Sie schauen so sicher besser aus", gestand Lunacek zu.

Einer der wenigen Unterschiede zeigte sich auch noch beim Burkaverbot, das bald in Kraft tritt. Lunacek lehnt dieses ab. "Für mich ist das sehr wohl auch ein Stoff-Gefängnis" für Frauen, betonte die Grüne. Das Gesetz halte sie aber für ein "Placebo", denn es gehe um wenige Frauen in Österreich und vor allem um Touristinnen. Kern widersprach, denn er halte die Burka für einen "Ausdruck der Unterdrückung".

Wie empfindet Ulrike Lunacek den Wahlkampf der SPÖ?
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Dass die Konfrontation insgesamt eher freundlich ausfallen sollte, zeigte schon die Übergabe der Mitbringsel zu Beginn: Lunacek setzte für den Kanzler klassisch auf einen Geschenkskorb – gefüllt mit fair gehandelten Produkten wie Kaffee und Nüssen. Schüchterne Botschaft: Bei den Freihandelsabkommen wie Ceta stehe fairer Handel leider nicht im Vordergrund. Der Kanzler gab sich erfreut über die Naschereien, denn "ständig sagt mir jemand, Sie müssen mehr essen, Herr Kern!". Die begeisterte Radfahrerin Lunacek bekam vom SPÖ-Chef eine bunte Glocke mit Blümchen.

Kern vs. Strolz weitaus untergriffiger

Ein überraschend untergriffiges, teilweise fast gehässiges TV-Duell lieferten sich dafür Kern und Neos-Chef Matthias Strolz. Inhaltlich war man sich in kaum einem Punkt einig, und wenn doch, fand sich irgendein anderer Grund, den jeweils anderen mit kleinen Bösartigkeiten zu bedenken.

Als Geschenk hatte der Kanzler dem Neos-Chef pinke Schienbeinschützer mitgebracht. Gebraucht hätte Kern die wohl eher selbst. Denn Strolz ließ von der ersten Minute an erkennen, dass er sich einen angriffigen Abend vorgenommen hatte.

Am System gescheitert

Das begann schon beim Geschenk, roten Flipflops. Denn für Strolz weiß man bei der SPÖ nicht mehr, woran man ist: "Der eine Teil blinkt rechts, der andere links." Er gestehe Kern guten Willen zu, dieser sei aber am System gescheitert: "Sie haben die SPÖ nicht mehr hinter sich." Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) übten schon gemeinsam, so Strolz in Anspielung auf ein gemeinsames Zeitungsinterview der beiden Minister.

Flip-Flops für Kerns nächsten Urlaub.
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In Kerns Replik kam wieder einmal Pippi Langstrumpf zu Ehren: "Herr Strolz reimt sich seine Welt, wie sie ihm gefällt." Denn der Neos-Chef sei es, der sich der ÖVP bei jeder Gelegenheit als Koalitionspartner anbiete.

Es folgte bei allen inhaltlichen Themen Untergriff auf Untergriff, etwa als der SPÖ-Chef seinem Kontrahenten entgegenhielt: "Völlig faktenbefreit zu argumentieren macht auch keinen Sinn." Als wiederum der Kanzler betonte, sich vor dem Schlafengehen mit allen möglichen Zahlen zu beschäftigen, replizierte Strolz: "Wir lesen die Zahlen nicht im Halbschlaf, sondern im Wachzustand."

Strolz wünscht Kaffeepause

Es blieb hitzig, so hielt Strolz dem Kanzler vor: "Sie haben einen Hang zum Professoralen." Unmittelbare Antwort des Kanzlers: "Da sind wir zwei." Negativer Höhepunkt war eine wohl nicht ernst gemeinte Drohung des ohnehin nicht gerade kurz zu Wort gekommenen Neos-Chefs, einen Kaffee trinken zu gehen, wenn Kern ihn nicht wieder reden lasse. "Ihre Entscheidung", gab der SPÖ-Vorsitzende kühl zurück.

Wie soll die Erbschaftssteuer geregelt werden
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Inhaltlich gab es so gut wie nichts Neues zu hören. Strolz warb für flexiblere Arbeitszeiten, für Kern sind die nur denkbar, wenn sie freiwillig sind. Der SPÖ-Chef wiederum pochte auf Erbschaftssteuern zur Finanzierung des Pflegesystems, was der Neos-Obmann mit Hinweis auf die aus seiner Sicht zu hohe Abgabenquote ablehnte.

Beim Wohnen wollten beide, dass es billiger wird, allerdings glaubt Strolz nicht, dass das mit den von der SPÖ forcierten Mietobergrenzen funktioniert. Die Neos setzen da auf den freien Markt und lehnen "Planwirtschaft" ab. Eine Föderalismusreform hätten beide gerne. Strolz traut sie dem Kanzler jedoch nicht zu. (APA, 18.9.2017)