Im neuen Meissl & Schadn kann man den Köchen von der Straße aus beim Schnitzelklopfen, Panieren und Herausbacken zusehen.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das Fleisch selbst ist dünn, nah am Hauch, geklopft und in eine vorbildlich gewellte güldene Panade gehüllt.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das Schnitzel soll das kulinarische Wahrzeichen Wiens sein, der Streit, wer denn das beste der Stadt serviert, ist unter Einheimischen ein beliebter Zeitvertreib. Trotzdem wird es oft denkbar schlecht behandelt – von der Freibad-Fritteuse über den Beisl-Tiefkühler bis hin zu manch innerstädtischem Groß-Schnitzelverklopfer, der es Horden von fehlgeleiteten Touristen um die Ohren haut. Die müssen sich nachher fragen, ob Wiener so etwas tatsächlich gut finden. Als solcher will man ihnen sagen: tun sie eh nicht!

Nun ist ausgerechnet ein Steirer ausgerückt, dem Wiener Schnitzel einen Tempel zu bauen: Hotelier und Gastronom Florian Weitzer hat das Restaurant im Fünf-Sterne-Hotel Grand Ferdinand am Ring ein wenig umgestaltet. Das Ergebnis ist ein Konzept-Hotelrestaurant mit einem Charme irgendwo zwischen großbürgerlichem Speisehaus und Pariser Brasserie, in dem nicht nur Hotelgäste glücklich werden können. Vorn im Lokal ist jetzt eine offene Schauküche untergebracht. So, wie in Schanghai Teigtaschen in der Auslage der Restaurants gefertigt werden, werden hier Schnitzel geklopft, paniert und in Emaillepfannen gebacken, draußen vor den Fenstern sammeln sich die Schaulustigen.

Drei Backfette

Und was da fabriziert wird, kann sich mit Szenestars wie den Schnitzeln im Giorgina, im Anzengruber oder im Automat Welt messen. Der Schnitzelesser darf zwischen drei Backfetten – Butterschmalz, Schweineschmalz und Pflanzenöl – wählen, für erfahrene Schnitzelconnaisseure ist es ein großer Spaß, einmal parallel verkosten zu können.

Das Fleisch selbst ist dünn, nah am Hauch, geklopft und in eine vorbildlich gewellte güldene Panade gehüllt (siehe Bild). Dazu gibt es wahlweise Preiselbeeren oder die "Wiener Garnitur", eine feingehackte Mischung aus Petersil, Schalotten, Zitronenfilets, Kapern, Ei und Sardellen. Klingt seltsam, ist aber tatsächlich historisch belegt und hilft dem Fleischfladen umamitechnisch nach. Die Wermutstropfen: Es wird nur Kalb geboten, und Schwein ist, Original hin oder her, einfach aromatischer. Und die Herkunft des Fleisches ist keine Erwähnung wert – schade für ein so fokussiertes Konzept in einem noblen Haus. Daneben gibt es Altwiener Spezialitäten und, weil Wien einmal eine Weltstadt war, dralle Austern mit Champagner und Heilbutt in Flusskrebssauce.

Weitzer und sein Team studierten Wiener Speisekarten aus den Jahren zwischen 1911 und 1925, darunter auch eine des unter Monarchie-Nostalgikern legendären Namensgebers, des Hotels und Restaurants Meissl & Schadn an der Kärntner Straße. Das Ergebnis: Auch das übrige Essen kann was. Wiener Küche ist hier aromatisch, manchmal leicht scharf und oft erfreulich sauer, sie schmeckt nach Ei, Obers, Kren und, historisch mindestens so wichtig (siehe Schnitzel), nach Kapern, Schalotten, Zitronen und Sardellen.

Rindfleisch vom Wagen

Ein Highlight sind die "Einschiebspeisen", traditionell kleine Zwischengerichte, die als eine Art Wiener Tapas interpretiert werden. Das gesottene Rindfleisch wird im Servierwagen an den Tisch gerollt, vor den Gästen aus der Suppe gehoben und heruntergesäbelt. Das Schulterscherzl ist beeindruckend saftig, die Zunge zart, und selbst der Tafelspitz hat auf dem obligat trockenen Fleisch einen anständigen Fettdeckel sitzen. Brot ist generell dick geschnitten und in viel (gerade sehr teurer) Butter gebraten, das Schlagobers zum Apfelstrudel handgeschlagen.

Ah ja, die Desserts. Die zeigen, dass es nicht immer Kaiserschmarrn sein muss. Eine fruchtige, oberssatte "Crème de Jour" – die Idee des Erdbeereises – nach Demel-Vorbild tut es auch. (Tobias Müller, RONDO, 22.9.2017)

Weiterlesen:

Zum Schwarzen Kameel: Frische Kamelle

Google-Map mit den aktuellen Restaurantkritiken