"Wenn ProSiebenSat1Puls4 mitmachen würde, wäre das nur gut": ORF-Chef Wrabetz über eine Online-Vermarktungsplattform österreichischer Medien.

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Wien – Der ORF will in der medienpolitischen Debatte vor und nach der Wahl mit einem eigenen Positionspapier mitreden. Das sei kein Lobbying in eigener Sache, versicherte ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz am Dienstag. Vielmehr wolle er mit "Zwölf Thesen für den Medienstandort" diesen insgesamt zukunftsfähig erhalten beziehungsweise machen. Mehr Spielraum für den ORF findet sich freilich trotzdem unter den Forderungen.

"Eigenständigkeit, Qualität, Vielfalt" müssen nach Ansicht von Wrabetz das Motto für die österreichische Medienlandschaft sein. Dafür wünscht er sich eine breite Zusammenarbeit aller Medien. Als erfolgreiches Beispiel nannte er die zuletzt von den Bundesländerzeitungen und der "Presse" veranstaltete und auf ORF 3 ausgestrahlte Dreierkonfrontation zur Nationalratswahl.

Schulterschluss

Einen Gegenentwurf zum im Frühsommer präsentierten "Weißbuch" des Verbands österreichischer Privatsender sieht Wrabetz im ORF-Papier nicht, wie er bei einem Hintergrundgespräch auf eine entsprechende Frage sagte. Es sei ihm vielmehr darum gegangen, "offensiv für den Medienstandort" zu agieren.

Einen Schulterschluss brauche es vor allem gegen die "Dominanz deutscher Medienkonzerne im Fernsehen", die "Übermacht globaler Player im Online-Bereich" und "global agierende Pay-Konzerne": "Gemeinsames Ziel österreichischer Medienhäuser muss es sein, möglichst viel Werbegeld und Wertschöpfung zur Finanzierung und Produktion von Medieninhalten in Österreich zu halten", so Wrabetz.

Online-Vermarktung mit Zeitungen

Ihm schwebt daher eine "Media Agenda 2025" vor, "um langfristig die ausreichende Herstellung von österreichischem Qualitätscontent zu ermöglichen". Als Maßnahmen schlägt er unter anderem einen permanenten "Medien-Round-Table" unter Beteiligung der österreichischen Medien und der Medienpolitik, moderiert von der RTR, vor.

Werbe-Schulterschluss, gern mit ProSieben

Um den Entwicklungen bei der Online-Werbevermarktung etwas entgegenzusetzen, müssten sich Online-Contentanbieter – also der ORF und die "großen Printkonzerne", aber auch "kommerzielle Anbieter" – zu einem "Marketplace Austria" zusammenfinden. Wrabetz: "Wenn ProSiebenSat1Puls4 mitmachen würde, wäre das nur gut."

Die Austria Video Plattform solle mit zusätzlichen Inhalten bestückt werden.

Bedingungen für 5G

Beim 5G-Rollout müssten die Interessen österreichischer Medieninhaber berücksichtigt werden, fordert Wrabetz. Die Republik schreibt 2018 den nächsten Mobilfunkstandard 5G aus, ein Schlüssel-Vertriebsweg für Medien. Der ORF-Chef empfiehlt Bedingungen: möglichst flächendeckende Verbreitung (ohne neue Breitbandmilliarde) und verpflichtenden, "auffindbaren" Zugang zu österreichische Inhalte. Digitalradio – DAB+ – indes möge Österreich lieber ganz auslassen.

Cash and Carry

Must-Carry-Regelungen für österreichische Inhalte fordert Wrabetz für alle Plattformen, etwa die Lauschsprecher von Amazon, Google, Apple. Sein Negativbeispiel: Auf neueren Samsung-Fernsehern seien "aufgrund einer Vereinbarung mit ProSieben ORF- und RTL-Sender praktisch nicht mehr auffindbar".

Gebühr für Streaming

Stichwort Geld: Eine generelle Haushaltsabgabe als Quelle für die Medienfinanzierung hält Wrabetz in Österreich für wenig realistisch, verweist er auf entsprechende Wortmeldungen aus der Politik. Erwartbare Wünsche für eine künftige Rundfunkgebühr hat er: "Auch Streamingempfang soll gebührenpflichtig sein."

Rundfunkgebühren sollten zudem – offenbar ohne die bisher nötigen Beschlüsse des ORF-Stiftungsrats mit großer öffentlicher Debatte – "automatisch" valorisiert werden. Und die Republik möge dem ORF wieder jene Beträge abgelten, die ihm durch Befreiungen sozial schwacher Haushalte entgehen, in Wrabetz' Worten: "Die Refundierung sollte auch mal gelöst werden."

Die Presseförderung solle aber durch Zweckwidmung jener Beträge, die gemeinsam mit den ORF-Gebühren eingehoben werden und in öffentliche Budgets wandern, aufgestockt werden, schlägt Wrabetz vor. "Das wären rund 60 Millionen Euro", um "die Printmedien zu unterstützen". Und die Werbeabgabe müsse bei gleichzeitiger Senkung auf Online-Werbung ausgedehnt werden.

Weniger ORF-Beschränkungen

Im ORF-Gesetz sähe Wrabetz eine Reihe von Beschränkungen und Verboten gern gelockert: für Printwerbung im ORF-Fernsehen, "mühsame App-Beschränkungen" und Schranken für den ORF im Internet (etwa Foren und die Sieben-Tage-Frist für Fernsehinhalte in der TVThek). Wrabetz: "Beschränkungen des ORF haben nie den österreichischen Medien genützt, sondern das österreichische Medienökosystem geschwächt."

ORF Sport Plus soll nach Wrabetz' Vorstellungen anlassbezogen auch Premiumsport zeigen dürfen.

Free-TV-Pflicht für Spielberg, Ski, Teile der CL

Österreich möge seine Liste von Ereignissen von "erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung", die im frei empfangbaren Fernsehen laufen müssen, erheblich erweitern, fordert Wrabetz zudem: "Skiereignisse sollen bei uns bleiben", sagt Wrabetz da zuerst, und korrigiert dann auf: "im Free TV" bleiben. Vorerst hat der ORF die ÖSV-Rechte ohnehin.

Als weitere Vorschläge für verpflichtende Free-TV-Übertragung nennt Wrabetz den österreichischen Formel-1-Grand-Prix in Spielberg und Champions-League-Spiele heimischer Klubs. In Deutschland stehe etwa das Champions-League-Finale auf der Liste.

Weniger US-Serien auch ohne Gesetz

Den ORF-Auftrag im Gesetz inhaltlich genauer zu definieren, findet Wrabetz nicht nötig: "Man braucht sich nicht überlegen, ob wir per Gesetz weniger amerikanische Serien spielen müssen. Das brauche ich nicht zu regeln, das wird sich in den nächsten Jahren ohnehin reduzieren."

Dann besser ORF-Inhalte auf allen Plattformen ermöglichen oder erleichtern, sagt der General – zum Beispiel ein eigenes Onlineangebot mit den Beständen an ORF-Kinderprogrammen, womöglich auch mit Channel auf Youtube.

Ablöse

Arbeitet Wrabetz da nicht an einer ORF-Novelle mit, die ihn als General ablösen könnte? 1974 und 2001 wurden mit neuen ORF-Gesetzen auch die ORF-Chefs vorzeitig abgelöst.

"Bevor nur andere am ORF-Gesetz arbeiten, arbeite ich lieber daran mit", sagt Wrabetz, und: "Ich gehe natürlich davon aus, dass man ein Gesetz nicht nur ändert, um vorzeitig eine Geschäftsführung zu beenden, und das gar noch mit politischen Gründen."

Wenn man Änderungen der Aufsichtsgremien oder der Struktur der Geschftsführung diskutiert, könnte man diese – aus Wrabetz Sicht nicht drängenden – Änderungen ja mit 2022 in Kraft setzen, "um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, man täte das aus politischen Gründen". Wrabetz ist bis Ende 2021 bestellt. (APA, fid, 19.9.2017)