Die Sitzung findet erstmals im neuen Ausweichquartier statt.

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Wien – Der Nationalrat trat am Mittwoch zu seiner Premierensitzung im Ausweichquartier in der Wiener Hofburg zusammen. Fast interessanter als das eigentliche Programm ist dabei das Vorspiel für die letzte Sitzung vor der Wahl am 12. Oktober. Denn bei regulärem Verlauf muss alles, was noch vor dem Urnengang beschlossen werden soll, spätestens am Mittwoch in den Nationalrat eingebracht und zur weiteren Behandlung in die zuständigen Ausschüsse gesendet werden.

Livestream von der Nationalratssitzung.
Der grüne Klubobmann Albert Steinhauser stellt fest: Weder die Mietbegrenzung noch die Einführung einer Gruppenklage werden vor der Wahl beschlossen.
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Nichts werden wird es dabei wohl mit der von SPÖ-Chef Christian Kern vorgeschlagenen Mietbegrenzung. Weder FPÖ noch ÖVP wollen zustimmen. Der grüne Klubobmann Albert Steinhauser sieht hier aber auch Fehler der SPÖ. "Hätten wir schon im Mai damit begonnen, wäre es einfacher gewesen, aber die SPÖ war noch in Koalitionsdisziplin ohne Koalition. Wir hätten den ganzen Sommer Zeit gehabt, die FPÖ unter Druck zu bringen", sagt er im Video-Interview mit dem STANDARD.

Auch die von SPÖ und Grünen forcierte Gruppenklage für Massenschadensfälle wird nicht kommen. Auch hier will die FPÖ einem entsprechenden Fristsetzungsantrag nicht zustimmen. "Mich überrascht das", sagt Steinhauser. "Es zeigt sich, wo die FPÖ steht, wenn es konkret wird: nicht aufseiten der Kleinen, sondern aufseiten der Großen."

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder
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SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder ist weiterhin zuversichtlich, dass der Fristsetzungsantrag zum neuen Mietrecht durchgehen wird. "Wir werden Nägel mit Köpfen machen", sagt er zum STANDARD. Schließlich hätten auch andere Parteien gesagt, dass die Wohnkosten zu hoch seien. Kein Verständnis hat er dafür, dass die ÖVP dem SPÖ-Entwurf für die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten nicht zustimmen will.

Man sei "mitten in den Gesprächen", sagt ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka zum STANDARD. Er verhandle mit Schieder zu zwanzig verschiedenen Punkten.

ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka zu den offenen Verhandlungspunkten mit der SPÖ.
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Die ehemalige SPÖ-Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber – heute Mandatarin ohne Klub, sie ist der Liste Pilz beigetreten – sagt ihre Unterstützung für die Mietrechtsnovelle zu.

Daniela Holzinger-Vogtenhuber ist Mitglied der Liste Pilz und im Parlament ohne Klubzugehörigkeit.
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Mehr Chancen hat eine leichte Entschärfung des erst vor kurzem beschlossenen Tierschutzgesetzes. Dazu kommen noch ziemlich fix die geplante außertourliche Pensionserhöhung sowie die formale Korrektur des eigentlich vor dem Sommer verabschiedeten Fremdenrechtspakets.

Debatte um Ceta

Die erste Debatte im Nationalrat drehte sich am Mittwoch um Ceta und TTIP. Statt der beiden Freihandelsabkommen verlangte die FPÖ in einer Aktuellen Stunde mehr direkte Demokratie. Bundeskanzler Kern versprach, dass es keine Ceta-Ratifizierung ohne Lösung bei den Konzern-Sonderklagsrechten geben werde. Die Grünen ließen in der "Aktuellen Europastunde" über Glyphosat diskutieren.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache verlangte eine Volksabstimmung über Ceta, das Freihandelsabkommen zwischen EU und Kanada, nachdem rund 560.000 Menschen das entsprechende Volksbegehren unterzeichnet hatten. Die SPÖ habe jedoch kein Interesse daran, halte sie sich doch schon nicht an die eigene Mitgliederbefragung in dieser Frage.

Grundsätzlich sprach sich Strache für mehr direkte Demokratie als Ergänzung zu ihrer repräsentativen Form aus. Als erster Schritt sollten "verfassungsrechtliche Grundlagen einer Volksgesetzgebung" geschaffen werden. Vetoreferenden müssten möglich sein, Volksbefragungen ein parlamentarisches Minderheitenrecht werden. Die Bürger sollten "das Recht haben, Entscheidungen, die wir hier treffen, zu korrigieren".

Kern: Oberflächliche Diskussion

Kern ging darauf nicht weiter ein, stattdessen sprach er sich für ein aktives Mitgestalten Österreichs und Europas bei Fragen des Welthandels aus. Die Diskussion über das Abkommen mit Kanada sei von einer gewissen Oberflächlichkeit geprägt. Es werde "nicht Milch und Ahornsirup fließen", doch auch Untergangsszenarien seien nicht angebracht.

Im Vorjahr habe er, gerade erst Kanzler geworden, dafür gesorgt, dass die EU-Kommission bei Ceta eingelenkt habe, betonte Kern. Der handelspolitische Bereich sein vom Investorenschutz getrennt worden: "Das war ein wesentlicher Erfolg." Ceta trete nun vorläufig in Kraft, aber ohne Investorenschutz. "Wir sind nicht bereit, bis auf weiteres Sonderrechte für internationale Konzerne zuzulassen", betonte der Kanzler. Bis dies nicht gelöst sei, sehe er keine Veranlassung, Ceta dem österreichischen Parlament zur Ratifizierung vorzulegen.

ÖVP warnt vor Protektionismus

Für die ÖVP warnte Kathrin Nachbaur vor Protektionismus: "Für ein kleines Land wie Österreich wäre das verheerend." Die Globalisierung des Handels habe die Ungleichheiten in der Welt dramatisch verringert, andererseits aber zu einem Abwandern der Produktion in Billiglohnländer geführt. Der Ausgleich dafür seien funktionierende Sozialsysteme. Eine Einwanderung in diese müsse allerdings gestoppt werden.

Der Grüne Werner Kogler plädierte klar für einen Volksentscheid über Ceta. Die Regierung habe von Anfang an ein falsches Spiel gespielt und der Bevölkerung Sand in die Augen gestreut. Was Kern im Vorjahr erreicht habe, sei nur der Beipackzettel zum Medikament gewesen. "Aber man isst nicht den Beipackzettel, man isst das Medikament, und das ist eine bittere Pille."

Nikolaus Scherak (Neos) zeigte wenig Verständnis für die Kritik der anderen Oppositionsfraktionen. "Wenn Sie schon so panische Angst vor Handel mit Kanada haben, dann frage ich mich, mit wem Sie in Zukunft Handel führen wollen", spottete er.

Pilz für mehr direkte Demokratie

Für mehr direkte Demokratie sprach sich auch der ehemalige Grüne Peter Pilz aus. Er versprach, mit seiner neuen Liste Kontrollarbeit leisten zu wollen: "Das österreichische Parlament braucht Zähne, und das österreichische Parlament wird am 15. Oktober wieder ein sehr, sehr gutes Gebiss bekommen."

Bures eröffnete erste Sitzung im Ausweichquartier

Die Eröffnung des neuen Ausweichquartiers durch Präsidentin Doris Bures (SPÖ).

Präsidentin Doris Bures hatte am Mittwochvormittag die erste Sitzung im Ausweichquartier im Großen Redoutensaal eröffnet und in einer kurzen Eingangsrede darauf hingewiesen, dass der Nationalrat erstmals seit 1918 außerhalb des Parlamentsgebäudes am Ring tagt.

Beim ersten Plenum nach der Sommerpause wird eine Verländerung der Wohnbauförderung beschlossen. Zudem wird der Eurofighter-U-Ausschuss mit einer Debatte zu den Akten gelegt. (burg, koli, APA, 20.9.2017)