Die analoge Erinnerungsstütze für Alzheimer-Patienten und deren Angehörige: Post-its, auf denen alltägliche Dinge notiert werden.

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Wenn die Erinnerung nachlässt, ist die Gefahr groß, dass sich Betroffene zunehmend aus dem sozialen Leben zurückziehen, sagt Elisabeth Stögmann, Leiterin der Demenzambulanz an der Med-Uni Wien.

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Memento besteht aus drei Komponenten: zuerst einem Gerät, das Demenzpatienten überallhin mitnehmen können; es soll Fotos, Videos und Gespräche speichern. Zudem können über einen intelligenten Stift Notizen gemacht werden. Und auf einem Touchscreen werden die gesammelten Daten übersichtlich dargestellt.

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Wien – Demenz beginnt schleichend. Den Alltag zu meistern fällt zunehmend schwer. Schlüssel und Geldbörse werden immer häufiger verlegt, Termine und Zahlungsfristen nicht eingehalten. Die Orientierung nimmt ab, einkaufen und kochen werden zur Herausforderung. Immer öfter können sich Betroffene nicht daran erinnern, welcher Tag oder welches Datum ist. "Während das Langzeitgedächtnis im Anfangsstadium der Demenz meistens noch sehr gut funktioniert, werden Ereignisse, die vor kurzem passiert sind, sehr schnell vergessen", erklärt Elisabeth Stögmann, Fachärztin für Neurologie und Leiterin der Demenzambulanz an der Med-Uni Wien.

In Österreich leiden derzeit etwa 130.000 Menschen an einer Form der Demenz, 60 bis 80 Prozent davon an Alzheimer. Schätzungen zufolge dürfte sich die Anzahl der Patienten bis zum Jahr 2050 verdoppeln. Im Anfangsstadium nutzen Demenzkranke und ihre Angehörigen noch häufig Erinnerungsstützen wie Kalender, Post-its oder SMS. "Diese Informationsmittel können aber sehr unübersichtlich sein", betont Stögmann. Ein weiteres Problem: Je schlechter das Kurzzeitgedächtnis funktioniert, desto mehr ziehen sich die Erkrankten zurück. "Depressive Episoden nehmen zu, es kommt zur sozialen Abschottung", wie die Neurologin erläutert.

Fotos, Videos, Tonaufnahmen

Mit dem europäischen Projekt "Memento" wird nun der Versuch gestartet, die Defizite von Demenzkranken im Frühstadium besser als bisher zu kompensieren. Konkret wollen Techniker und Mediziner ein Gerät entwickeln, das Patienten helfen soll, sich an tägliche Ereignisse, Situationen und Orte zu erinnern. Im Idealfall wird den Menschen so ein Stück Sicherheit zurückgegeben.

Insgesamt arbeiten acht technische und medizinische Zentren in Österreich, Italien und Spanien an der Umsetzung von drei Komponenten. Mit einem tragbaren Gerät in der Größe eines Handys können Fotos und Videos gemacht sowie Gespräche aufgenommen werden. Über einen intelligenten Stift wird auch die Eingabe von Notizen möglich sein.

Die gesammelten Informationen werden anschließend in einer Cloud aufbereitet und auf einem Touchscreen dargestellt, der beispielsweise am Kühlschrank montiert ist. "Auch Angehörige oder Pflegerinnen und Pfleger sollen Reminder – wie etwa den nächsten Arzttermin – eintragen können", sagt Sten Hanke vom Austrian Institute of Technology. Die Technologie als Informationsdrehscheibe sozusagen.

Am Patienten orientieren

Das Projekt steht erst am Anfang. Derzeit werden noch die Studienteilnehmer rekrutiert. "Das Gerät ist für Demenzpatienten gedacht, die zumindest noch lesen können und etwa daran gewöhnt sind, ein Handy zu benutzen", sagt Elisabeth Stögmann.

In einem ersten Schritt sollen die Wünsche der Patienten und Angehörigen ermittelt werden. "Was soll das Gerät können, und wie muss es gestaltet sein, damit es be- und genutzt werden kann?", sind hier die zentralen Fragen. "Innovationen sind häufig technikgetrieben. Das heißt, es wird primär darauf geachtet, was technisch möglich ist", erläutert Sten Hanke. Das Problem: Die Technik wird so dem Nutzer übergestülpt. "Deshalb schaffen es die meisten Produkte auch nicht bis zur Marktreife", kritisiert der Experte.

Noch ist nicht klar, ob und wie viel "Memento" den Patienten bringen wird. Der erste Prototyp wird für Ende 2018 anvisiert. "Es kann aber eine Möglichkeit sein, das Leben einfacher zu machen", so Stögmann. (Günther Brandstetter, 21.9.2017)