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Alexander Van der Bellen

Foto: REUTERS/Jeenah Moon

Wien – Bundespräsident Alexander Van der Bellen glaubt nicht an einer kriegerische Auseinandersetzung zwischen den USA und Nordkorea. "Ich halte es nicht für möglich, aus verschiedenen Gründen", sagte Van der Bellen am Mittwochabend in der "ZiB 2" mit Blick auf Südkorea und die dort stationierten US-Truppen. US-Präsident Donald Trump werde "mit hoher Wahrscheinlichkeit" vor einem Erstschlag zurückschrecken.

Bundespräsident Van der Bellen im Interview mit der "ZiB 2".
ORF

Der Bundespräsident ging hart mit den Aussagen Trumps vor der UN-Generalversammlung ins Gericht, in denen dieser Nordkorea die totale Zerstörung angedroht hatte. "Ich fürchte fast, dass dahinter keine Strategie steht." Es sei aber "der Eindruck entstanden, dass Trump nicht an einer Deeskalation von Konflikten interessiert ist, sondern dass wir uns Sorgen machen müssen um eine Eskalation".

Unsicherheit gestiegen

Van der Bellen stimmte der Einschätzung von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) zu, dass die Unsicherheit in der Welt gestiegen sei, ebenso die Gefahr eines Atomkriegs. Nicht nur in Nordkorea, "auch in anderen Gebieten dieser Welt ist die Unsicherheit eher gestiegen als gefallen", sagte der Bundespräsident. Andererseits: "Der Krieg in Syrien scheint sich dem Ende zuzuneigen."

Kein Verständnis hat Van der Bellen für die Kritik Trumps am Atomdeal mit dem Iran. Dieser erfülle das Abkommen "auf Punkt und Beistrich". Werde es aufgekündigt, "stehen wir wieder am Anfangspunkt". Ein besserer Vertrag werde nicht herauskommen, sondern es werde "viele leere Kilometer geben", bis am Ende ein ähnlicher Deal wie der aus dem Jahr 2015 gefunden werde.

Um die außenpolitische Orientierung Österreichs unter einem Bundeskanzler Kurz macht sich Van der Bellen keine großen Sorgen. Er glaube nicht, dass sich Österreich unter dem ÖVP-Chef als Kanzler in Richtung der umstrittenen mittelosteuropäischen Regierungen orientieren würde. Österreich sei sich nämlich in seiner Tradition der Rechtsstaatlichkeit und der Bedeutung der Menschenrechte bewusst, sagte Van der Bellen in offenkundiger Anspielung auf das illiberale Orbán-Regime in Ungarn.

EU "einzigartige Errungenschaft"

Ebenfalls am Mittwoch sprach Van der Bellen vor Studenten der Columbia University in New York. "Die EU ist eine einzigartige Errungenschaft der Zivilisation", sagte der Bundespräsident. Es sei im Interesse jedes Mitgliedsstaats, nicht in den Partikularismus früherer Tage zurückzufallen.

"Von außen betrachtet" könnte es vielversprechend und profitabel erscheinen, die EU auseinanderzudividieren und zu spalten, erklärte Van der Bellen in seiner Rede mit dem Titel "EU – an ever closer union?" in Anspielung an hegemoniale Interessen Russlands unter Wladimir Putin und der USA unter Trump.

Brexit ist "ernster Fehler"

Trump habe den Brexit einmal als "großartige Sache" bezeichnet, erinnerte Van der Bellen. Dabei sei der Ausstieg Großbritanniens aus der EU "ein ernster Fehler" und "tragischer Irrtum", auch wenn die Entscheidung natürlich respektiert werden müsse.

Allerdings sei es vor allem die junge Generation in Großbritannien, die sich nunmehr wegen der Brexit-Folgen Sorgen mache. "Viele von ihnen sind aber nicht wählen gegangen." Die EU befinde sich durch den Brexit, die Uneinigkeit in der Flüchtlingsfrage und die politischen Entwicklungen in Ungarn und Polen in einer Krise. Allerdings sei sie in der Vergangenheit meist gestärkt aus solchen Situationen hervorgegangen.

US-Kampfansage an EU

Die wichtigsten Herausforderungen der Gegenwart wie "Flucht und Migration, Klimawandel und Energiepolitik, Arbeitslosigkeit und Armut, Krieg und Vertreibung, Gewalt und Terror" sowie die "digitale Transformation" könnten aber nur gemeinsam gelöst werden, zeigte sich Van der Bellen überzeugt. "Für mich ist es eine simple Tatsache, dass die europäischen Staaten gemeinsam stärker sind als jedes einzelne Land für sich selbst. Nationalisten aller Art pflegen das zu ignorieren."

Van der Bellen setzte mit seinem Vortrag auch einen Kontrapunkt zu Trumps Rede vor der UN-Vollversammlung am Dienstag. "Wenn ich es boshaft formulieren will, war das eine Rede an seine Wähler in der US-Provinz", erklärte der Bundespräsident danach. Trump habe der "Renationalisierung" das Wort geredet. "Das war eine Kampfansage an die EU." (APA, 21.9.2017)