Der Mini-Sender auf ihrem Rücken stört die Tiere nicht. Er verrät den Forschern die Position der Fledermäuse.

Foto: MPI f. Ornithologie/ K. Safi

Radolfzell – Wenn Tiere auf Reisen gehen, fliegen oder schwimmen ist eine glückliche Ankunft am Zielort vor allem auch von den Umweltbedingungen abhängig, die während ihrer Tour herrschen. Fledermäuse scheinen dabei ganz besonderes Augenmerk auf Wetter und atmosphärische Voraussetzungen zu legen. Deutsche Biologen haben nun herausgefunden, dass der Große Abendsegler nur dann im Frühjahr in seine Sommergebiete aufbricht, wenn dass Zusammenspiel von Windstärke, Windgeschwindigkeit und Luftdruck passen.

Die Gruppe von Dina Dechmann am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell untersucht das Migrationsverhalten des Großen Abendseglers (Nyctalus noctula). Von den über 1300 Fledermausarten gehört diese Spezies zu den wenigen, die über lange Strecken reisen. Dabei sind es in erster Linie die Weibchen, die hunderte von Kilometer zurücklegen müssen. Jedes Frühjahr fliegen sie nach ihrem Winterschlaf in insektenreichere Regionen Richtung Nordosten.

Die Kunst, den richtigen Moment zu erwischen

Sie suchen dort stets dieselbe Kolonie auf, um ihre Jungen zur Welt zu bringen und aufzuziehen. Im Herbst kehren die Weibchen dann wieder in den Südwesten zu ihren Überwinterungsplätzen zurück, wo sie sich paaren und auf den Winterschlaf vorbereiten. Der richtige Zeitpunkt zum Aufbruch im Frühjahr ist für die Fledermausweibchen wichtig, da sie sich genug Fettreserven für die lange Reise zulegen müssen, aber wegen der fortschreitenden Trächtigkeit auch nicht zu lange warten dürfen.

Um die Fledermäuse im Freiland beobachten zu können, wurden die Tiere nahe ihrer Überwinterungsplätze eingefangen, vermessen und gewogen, mit Sendern versehen und anschließend wieder freigelassen. An den darauffolgenden Tagen suchten die Forscher jeden Morgen das Gebiet von einem Flugzeug aus ab, um zu überprüfen, welche Tiere sich in der Nacht in welche Richtung aufgemacht hatten. Auch Wetterdaten wie Windgeschwindigkeit und -richtung, Luftfeuchtigkeit und -druck, Temperatur sowie Wolkenbedeckung wurden festgehalten.

Auf das richtige Wetter warten

Im Gegensatz zu Vögeln können Fledermäuse das nötige Gewicht in wenigen Nächten zulegen und das Startdatum dann weitgehend unabhängig davon wählen. Stattdessen wählt der Große Abendsegler die optimale Nacht für den Start anhand der Wetterbedingungen aus. So konnten die Forscher beobachten, dass die Fledermäuse vermehrt in Nächten mit klarem Wetter und günstigen Winden aufbrachen, messbar an hohem Luftdruck und Rückenwind. Aber auch Nächte mit niedrigem Luftdruck wurden von vielen Tieren zum Abflug genutzt, wenn gleichzeitig schwacher Gegenwind in Migrationsrichtung wehte. "Ein Luftdruckanstieg bedeutet besseres Wetter", erklärt Dechmann.

Die Fledermäuse wählen den Zeitpunkt für den Abflug im Verlauf des Frühjahrs nach unterschiedlichen Kriterien aus, wie die Forscher im Fachjournal "Biology Letters" schreiben. "Zu Beginn der Zugperiode ist Rückenwind ein wichtiger Faktor. Später brechen sie vor allem in klaren Nächten mit hohem Luftdruck auf, selbst wenn sie Gegenwind haben. Bei niedrigem Luftdruck fliegen sie nur, wenn Rückenwind oder schwacher Gegenwind herrscht", erklärt Teague O'Mara vom Radolfzeller Max-Planck-Institut.

Modell zum Schutz der Fledermäuse

Aus den gewonnenen Daten entwickelten die Forscher ein Modell, mit dessen Hilfe sie vorhersagen können, in welchen Nächten der Große Abendsegler mit hoher Wahrscheinlichkeit aufbricht. Dies könnte auch zum Schutz der Fledermäuse beitragen, denn viele Tiere sterben während ihres Zuges, etwa durch die Kollision mit Windkraftanlagen. "Wenn wir vorhersagen können, in welchen Nächte besonders viele Fledermäuse unterwegs sind, könnte die Opferzahl durch gezieltes Abschalten der Windräder in solchen Nächten drastisch reduziert werden", sagt Dechmann. (red, 23.9.2017)