Kiew/Wien – Die Behörden in Kiew gehen zumindest seit dem 7. September von einer Verjährung der Delikte aus, die Ex-Judoka Peter Seisenbacher in Wien vorgeworfen werden. Laut ukrainischem Recht würden diese Straftaten nach fünf beziehungsweise zehn Jahren verjähren, heißt es in einer der APA vorliegenden amtlichen Darstellung. Sollte es dabei bleiben, wäre eine Auslieferung nach Österreich unzulässig.

In der Kiewer Gerichtsverhandlung vom 2. August, in der auf Grundlage eines Auslieferungsantrags aus Wien 40 Tage Haft über Seisenbacher verhängt worden waren, wurden die in Österreich inkriminierten Delikte nach dem ukrainischen Strafrecht als Vergewaltigung (Paragraf 152) und Missbrauch von Minderjährigen (Paragraf 156) qualifiziert. Nunmehr ist lediglich von Missbrauch von Minderjährigen die Rede.

Vergewaltigung nicht mehr angeführt

Dabei werden beide Absätze des betreffenden Artikels genannt – Missbrauch von Minderjährigen sowie Missbrauch von Minderjährigen unter Ausnutzung eines Autoritätsverhältnisses. In der Ukraine werden diese Delikte als mittelschwere und schwere Straftaten eingestuft, die laut Strafgesetzbuch nach fünf beziehungsweise zehn Jahren verjähren.

Die von den Kiewer Behörden nicht mehr angeführte Vergewaltigung würde unter erschwerenden Umständen erst nach 15 Jahren verjähren. Vergewaltigung ist jedoch auch in Österreich nicht Teil der Anklage gegen Seisenbacher, dem nach ukrainischen Angaben schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen, sexueller Missbrauch von Unmündigen, sowie Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses in einem Zeitraum zwischen 1997 und 2004 vorgeworfen werden. Es gilt die Unschuldsvermutung.

In Ukraine bereits verjährt

Die inkriminierten Straftaten seien zum Zeitpunkt der österreichischen Anklageerhebung gegen Seisenbacher im Herbst 2016 nach der ukrainischen Gesetzeslage bereits verjährt gewesen, heißt es in der Darstellung aus Kiew. Verjährung hat laut Paragraf 589 Absatz 3 der ukrainischen Strafprozessordnung die Ablehnung des ausländischen Auslieferungsbegehrens zur Folge.

Eine endgültige Entscheidung stand noch aus – formal betonte die vom ukrainischen Justizministerium mit der Causa beauftragte Kiewer Staatsanwaltschaft, dass die Auslieferungsüberprüfung noch nicht beendet sei. Besonders schwere Fälle von Kindesmissbrauch könnten nach ukrainischem Recht unter den Vergewaltigungsparagrafen fallen, hatte zuletzt das österreichische Justizministerium informiert.

Rasanter Meinungswandel, Hintergründe unklar

Seisenbachers Freilassung am 8. September war jedenfalls ein rasanter Meinungswandel vorausgegangen. Das formal zuständige Justizministerium hatte am 7. September seine Zustimmung zu diesem Schritt gegeben – an diesem Tag und zuvor auch am 29. August waren jedoch Verhandlungen des Kiewer Berufungsgerichts vertagt worden, die sich mit eingelegten Rechtsmitteln von Seisenbachers Anwalt hätten beschäftigen müssen. Dieser hatte gegen die Entscheidung eines Kiewer Bezirksgerichts berufen, das am 2. August auf Grundlage des österreichischen Auslieferungsbegehrens 40 Tage Haft über den Olympiasieger von 1984 und 1988 verhängt hatte.

Ursache für die wiederholten Verschiebungen, die eine frühere Freilassung verhinderten, seien das Fehlen eines Dolmetschers und die Weigerung der Kiewer Staatsanwaltschaft gewesen, Seisenbacher aus der Haft zur Verhandlung bringen zu lassen, erklärte die Pressestelle des Berufungsgerichts gegenüber der APA. Die Hintergründe für dieses Tauziehen blieben jedoch unklar – denn die Staatsanwaltschaft dementierte auf Anfrage die Behauptung, keine Zustimmung zu einer Überstellung Seisenbachers gegeben zu haben. (APA, 21.9.2017)