Arnon Grünberg ist "Der Ersatzvater".

Kollage: Armin Karner

Soll ich Marjolein meine Ersatzfreundin nennen? Ist das die Konsequenz meiner Ersatzvaterschaft für ihre vier Töchter? Meine eigene Freundin war angespannt, als sich der Tag näherte, an dem meine Ersatzvaterschaft ihren Anfang nehmen sollte. "Ich finde es schrecklich, dass du dich neben diese Frau legst", sagte sie. "Nicht einmal, weil du Sex mit ihr haben könntest, sondern weil sie dann weiß, wie du schläfst."

"Ach", antwortete ich, "das wissen doch mehr Leute?"

Als ich ein paar Stunden nach meiner Ankunft Layla, Marjoleins Zweitjüngster, einen Ball zuwerfe, schreit die Mutter laut auf. Ich betrachte es als meine Pflicht, zu ihr zu rennen. Sie sagt: "Da war eine große Ratte."

Eigentlich halte ich Marjolein nicht für eine Frau, die Angst vor Ratten hat, also beschränke ich meine Reaktion auf "Oh."

Danach setze ich das Ballspiel fort, wobei ich darauf achte, den Ort zu meiden, an dem die Ratte gesehen wurde.

Das Abendessen rückt näher. Es wird früh gegessen, etwa um halb sechs. Bis vor kurzem aß ich zwischen halb zehn und zehn Uhr.

Marjolein kommt besorgt aus der Küche. "Ich muss Ronja suchen", sagt sie, "sie ist zu ihrer Freundin Fleur verschwunden. Sie will nicht mit dir am Tisch sitzen."

Mehr Emotionen als vorgesehen

Mir wird klar, dass die Ankunft des Ersatzvaters mehr Emotionen auslöst als vorhergesehen. Die Älteste stößt den Ersatzvater ab wie ein Körper eine Kunstniere. "Ich kann mir das schon vorstellen", sagt Marjolein. "Ich habe früher bei meiner Mutter im Bett geschlafen. Wenn sie dann Männer mit nach Hause brachte, musste ich raus aus dem Bett. Das machte mich fuchsteufelswild."

Das klingt, als sei der Ersatzvater ein Stück Fleisch, das Marjolein in ihre Höhle geschleppt hat. Ich will alles sein, auch Fleisch, aber das war nicht die Rolle, auf die ich mich vorbereitet hatte.

Inzwischen gehe ich mit Zora, der Jüngsten, fast ein Jahr, durch den Garten und sage: "Ich finde es lieb, dass du mit mir am Tisch sitzen möchtest."

Marjolein kommt mit Ronja zurück. "Ich habe mit Fleurs Mutter und Ronja abgemacht, dass sie zu Fleur darf, wenn ein Schild mit Schmetterlingen draußen hängt. Wenn ein Schild mit einem Mond da hängt, wollen sie nicht gestört werden. Irgendwann war sie mehr dort als hier."

Wir begeben uns zu Tisch. Ronja sitzt bei ihrer Mutter auf dem Schoß, in sicherer Entfernung vom Ersatzvater.

Wie viel Mühe er sich auch gibt, der Fremde bringt Spannungen.

(Fortsetzung folgt am Freitag)

(Arnon Grünberg, 21.9.2017)