Frauen sieht man deutlich öfter im Unisex-Look als Männer. Im Bild: eine Kreation von Takeshi Kitazawa und Emiko Sato, gezeigt bei der Fashion Week in Tokio im März.

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Wenn Männer und Frauen in die für sie vorgesehene Modeabteilung abbiegen, treffen sie schon eine Vorauswahl. Ab dem Zeitpunkt können sie nur mehr aus Schnitten, Mustern und Größen für "ihn" oder "sie" wählen. Dabei weiß jede Käuferin, dass ein bestimmter Hosenschnitt noch lange nicht passen muss, nur weil er in der Frauenabteilung hängt. Trotzdem suchen noch relativ wenige Frauen die Männerabteilung auf, um dort das eine oder andere Teil anzuprobieren. Und umgekehrt noch weniger.

Auch bei Kindern ist die Trennung in Mädchen- und Bubenkleidung so selbstverständlich, dass die Schaffung einer gemeinsamen Abteilung für Kinder schon einmal für Aufsehen sorgt. Zum Beispiel, als die britische Kette John Lewis Anfang September die "Girls"- und "Boys"-Labels von der Kleidung entfernte und einen Kinderbereich für alle schuf.

Drei Passformen, fertig

Ein leichter Unisex-Wind weht schon seit längerem und sehr erfolgreich unter dem Titel "Boy Friend", wobei es sich dabei um Produkte – vor allem Jeans – handelt, die wiederum für Frauen reserviert sind. Noch dazu suggeriert der Begriff "Boy Friend": Wer in bequemem Schlabberlook, der mit "Boy Friend"-Sachen einhergeht, daherkommt und auf "feminine" Schnitte verzichtet, kann sich dank des Labels Boy Friend vorsichtshalber des weiblichen Geschlechts und der Heterosexualität versichern.

Die britische Designerin Katharine Hamnett experimentiert schon seit vielen Jahren mit Unisex-Mode und ist überzeugt, dass Frauen heute deutlich mehr Freiheit haben zu tragen, worin sie sich wohlfühlen. Früher, noch vor dem Boy-Friend-Trend, bedeutete Unisex-Mode etwa Military-Look für Frauen, mit dem "man sich eher die männliche Macht" zu eigen machen wollte, sagte Hamnett dem "Guardian".

Die britische Tageszeitung befragte aus Anlass der aufgelassenen "Girls"- und "Boys"-Kategorien einige Designerinnen zum Thema Unisex. Melissa Clement, die die Unisex-Jeansmarke Bethnals auf den Markt gebracht hat, sieht in einer Hose für Frauen noch keine größere Chance für eine per se gute Passform für Frauen. Unisex würde vieles vereinfachen, außerdem gehe es um das Design, nicht um das Geschlecht. Das Label GFW (Gender Free World) hat zum Beispiel drei Passformen für verschiedene Körper – und nicht für Mann und Frau.

Nur ein bisschen Unisex

Gertrud Lehnert, Professorin für allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft und Modetheoretikerin, sieht im "jungen, sich avantgardistisch verstehenden Design, das anders sein will", tatsächlich einen Trend zu Unisex. Allerdings nicht auf der Straße. Im Allgemeinen gebe es Unisex aber schon lange, ohne dass man das so benennt: Bei Jeans, T-Shirts, Sneakers und Funktionskleidung. "Ich finde es auch auffallend, dass die Unisex-Designs eher an sehr schlichten männlichen Kleidungslinien orientiert sind. Kleider, Röcke, Spitzen oder Samt — eher nicht. Ist das also wirklich Unisex?", fragt Lehnert.

Insofern scheint sich das Feld der Mode, wenn überhaupt, eher für Frauen zu erweitern, während Männer in weiblich konnotierten Stoffen und Schnitten nur sehr selten zu sehen sind. Lehnert ist auch skeptisch, ob Unisex-Kleidung überhaupt das Potenzial hat, Geschlechterstereotype aufzuweichen. Mode bleibe vor allem etwas, das "neu und überraschend – und vielleicht sogar provokant sein will". Die gesellschaftspolitische Arbeit bleibt demnach letztlich doch bei ihren TrägerInnen hängen. (Beate Hausbichler, 26.9.2017)