Über eine mangelnde App-Auswahl können sich Android-Nutzer wahrlich nicht mehr beschweren: Mehr als drei Millionen unterschiedliche Apps stehen mittlerweile in Googles Play Store zur Auswahl. Darunter befindet sich viel Nützliches und Unterhaltsames, gleichzeitig gibt es aber auch ganze Kategorien von Apps, die mit reichlich zweifelhaften Features zur Installation locken – und damit zum Teil äußerst erfolgreich sind. Im Folgenden soll einigen davon nachgespürt werden, und erläutert werden, warum man auf diese besser verzichten sollte.

Anti-Viren-Software

"Wer seinen PC effektiv vor Schädlingen schützen will, kommt um die Anti-Viren-Software von Hersteller xyz nicht herum": Ein Ratschlag, der seit Jahrzehnten jedem Computerneuling unterbreitet wird, heutzutage aber selbst unter Windows zweifelhafter Natur ist. Im Smartphone-Bereich ergibt er aber überhaupt keinen Sinn. Der Grund dafür liegt in der Art wie mobile Betriebssysteme wie Android aufgebaut sind.

Im Gegensatz zu Desktop-Systemen laufen hier alle Apps strikt voneinander isoliert, ohne explizite Rechtevergabe durch die Nutzer hat eine App also lediglich Zugriff auf die eigenen Daten. Das verhindert einerseits die unter Windows gewohnten Drive-by-Infektionen, bei der etwa über eine Browserlücke schnell mal Zugriff auf alle lokal gespeicherten Daten erreicht wird. Andererseits heißt es aber auch, dass sich jede Anti-Viren-Software, die ein Android-Gerät auf Malware untersuchen will, extrem hohe Berechtigungen einholen muss – und so effektiv das Sicherheitssystem von Android unterwandert. Wird die vermeintlich hilfreiche App so doch selbst zum lohnenden Ziel für Angreifer – und wenn die letzten Jahre etwas gezeigt habe, dann dass es um die Sicherheit von Anti-Viren-Software nicht allzu gut bestellt ist.

Die Angst vor Schadsoftware treibt viele zu Antiviren-Apps – das ist aber ein Fehler.
Grafik: Google

Google Play Protect

Aber es gibt noch ein viel einfacheres und nicht minder schlagendes Argument gegen die Installation von Antiviren-Apps: Jedes einzelne Android-Smartphone, das mit Google Play Store ausgeliefert wird, hat bereits einen Virenscanner vorinstalliert. Dieser stammt von Google selbst und checkt von Haus aus alle paar Tage das Gerät auf das Vorhandensein von Schadsoftware – also genau das, was jede Antiviren-App macht, nur mit dem wesentlich breiteren Wissen von Google über das gesamte App-Ökosystem im Hintergrund. Werden hier Schad-Apps gefunden, informiert Google die Nutzer darüber, in besonders problematischen Fällen kann der Softwarehersteller diese sogar von außen entfernen.

Das Ganze gibt es schon seit Jahren unter dem Namen "Verify Apps", vor einigen Monaten wurde es dann aber in "Google Play Protect" umbenannt und wird mittlerweile auch in den Systemeinstellungen und im Play Store explizit dargestellt. Google macht übrigens keinen sonderlichen Hehl daraus, dass es sich bei diesem Rebranding um eine Portion Sicherheitstheater handelt. Durch die prominentere Platzierung von Play Protect sollen die User davon abgehalten werden, sinnlos andere Antiviren-Apps zu installieren.

Wer sein Android-Smartphone vor Schad-Apps schützen will, für den gelten weiterhin die gleichen Ratschläge wie seit Jahren: Darauf schauen, dass Verify Apps / Play Protect aktiviert ist, und ausschließlich Apps aus dem Play Store installieren. Zwar kann es schon mal vorkommen, dass Malware-Autoren die Checks von Google erfolgreich austricksen, die Chance sich auf diesem Weg bösartige Apps einzufangen, ist statistisch gesehen trotzdem um ein vielfaches kleiner als bei aus anderen Quellen bezogenen Programmen.

Google Play Protect ist auf jedem halbwegs aktuellen Smartphone mit Android vorinstalliert.
Grafik: Google

Von eigenen Antiviren-Apps kann hingegen nur dringend abgeraten werden. Klar – es mag schon sein, dass einzelne dieser Apps sinnvolle Tools beinhalten, aber dann sollen die Hersteller diese eben separat veröffentlichen. Im Endeffekt handelt es sich bei den betreffenden Apps um simples Marketing der dahinterstehenden Sicherheitsdienstleister – sonst nichts. Wer das nicht glauben will, sei auf eine simple Tatsache verwiesen: Es gibt keine einzigen dokumentierten Fall, in dem eine solche App eine zuvor noch nicht bekannte Schadsoftware blockiert hat. Und wenn die Malware einmal bekannt ist, weiß eben auch Google davon, und rüstet die eigenen Checks umgehend nach.

RAM aufräumen?

Seit den Frühjahren von Android hält sich eine Gruppe von Apps hartnäckig unter den beliebtesten Tools: Die sogenannten Task Killer oder RAM Cleaner. Ihr Versprechen: Den Arbeitsspeicher regelmäßig oder auch gezielt aufzuräumen, und so Platz frei zu machen, damit das eigene Smartphone wieder flotter wird. Klingt toll, hat nur ein kleines Problem: Dieses Versprechen ist in den allermeisten Fällen kompletter Unsinn. Fußt es doch auf einem fundamentalen Missverständnis, das schon im PC-Bereich seit Jahrzehnten nicht tot zu bekommen ist, und zwar dass es erstrebenswert wäre möglichst wenig RAM zu benutzen.

Um zu verstehen, warum solche Tools keinen Sinn ergeben, muss einmal klar gemacht werden, was der Arbeitsspeicher (RAM) eigentlich ist, und wie er unter Android eingesetzt wird. Ins RAM werden – vereinfacht gesprochen – Programme geladen, um sie auszuführen, also wenn sie wirklich aktiv genutzt werden sollen. Im Gegensatz zum lokalen Datenspeicher wie Festplatte oder Flash-Speicher ist RAM um ein vielfaches flotter, merkt sich die Daten aber nicht beim Ausschalten des Gerätes, und ist üblicherweise wesentlich kleiner als der lokale Datenspeicher. Android nutzt den zur Verfügung stehenden Platz im RAM nun folgendermaßen: Wird es eng – etwa indem neue Apps gestartet werden – werden alte oder weniger wichtige Apps automatisch aus dem RAM geworfen.

Was so ein Task Killer nun macht, ist, dass er sämtliche Apps manuell beendet. Das sieht bei lustigen Balken, die anzeigen, wieviel RAM gerade frei ist, fraglos nett aus, hat aber exakt den gegenteiligen Effekt von dem, was eigentlich versprochen wird. Das System wird nämlich nicht schneller sondern langsamer. Immerhin muss jetzt beim Wechsel auf eine zuvor genutzte App diese erst wieder komplett neu geladen werden, was – wie vorher beschrieben – erheblich langsamer ist, mehr Rechenzeit verbraucht, und somit auch an der Akkulaufzeit knabbert.

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Wie ein Betriebssystem funktioniert muss man nicht verstehen, um so wichtiger ist es hier nicht auf falsche Versprechen hereinzufallen.
Foto: DADO RUVIC / REUTERS

Es gibt Ausnahmen, aber...

Dabei sei gar nicht geleugnet, dass Task Killer bei einzelnen Nutzern durchaus subjektiv eine Verbesserung bringen können. Fast immer handelt es sich dabei aber um Symptombehandlung, die am eigentlichen Problem vorbeigeht. Wenn man etwa eine fehlerhafte App auf dem Smartphone hat, die über die Maßen Ressourcen beansprucht, hilft natürlich ein RAM Cleaner, der sie regelmäßig beendet. Die wahre Lösung wäre aber, die betreffende App zu entfernen, erspart man sich so doch die negativen Nebeneffekt auf andere Programme.

Defragmentierung???

Mit einer gesteigerten Performance locken auch sogenannte Defragmentierungs-Apps. Durch das Aufräumen des lokalen Datenspeichers soll dessen Performance wieder gesteigert werden, so das Versprechen. Klingt verlockend, kennt man sowas doch schon vom guten alten PC mit seiner Festplatte. Das Problem dabei: Smartphones nutzen nun mal keine klassischen Harddisks sondern Flash-Speicher. Und bei diesen kommen spezielle Chips zum Einsatz, die sich laufend um die optimale Anordnung der Daten auf dem Speicher kümmern. Im Normalfall tun solche Defragementierungs-Apps denn auch exakt nichts. Und selbst wenn sie den nötigen Low-Level-Zugriff auf den gesamten lokalen Speicher hätten (was sie nicht haben), könnten sie diesem maximal schaden statt zu nützen. Immerhin würde ein solcher Defragmentierungsvorgang unweigerlich unnötige Schreibzyklen produzieren, die die Flash-Bausteine weiter altern lassen.

Cleaner-Apps

In eine ähnliche Kerbe schlagen die sogenannten Cleaner-Apps: Das regelmäßige Aufräumen der lokalen Daten soll das Gerät wieder flotter machen. Viele dieser Apps tun dabei aber nichts anderes als die gecachten Daten der installierten Apps aufzuräumen, was wenig überraschend dann wieder mehr lokalen Datenspeicher freischaufelt – mit dem Nebeneffekt, dass der nächste App-Start länger braucht. Wer das trotzdem will, kann es natürlich genauso gut über die Systemeinstellungen von Android für jede einzelne App vornehmen. Caches von Apps, die deinstalliert werden, werden ohnehin automatisch entfernt, hier gibt es also nicht viel zu holen.

Die Auswahl an vermeintlichen Cleaning-Tools ist im Play Store geradezu riesig.
Screenshot: Andreas Proschofsky / STANDARD

Beeindruckend ist dabei vor allem, dass es einzelne solcher Cleaner-Tools zu mehr als 500 Millionen Installationen geschafft haben, indem sie gleich mehrer der in diesem Artikel genannten, mehr als zweifelhaften Versprechen in einer einzelnen App kombinieren.

Magische Tools

Ebenfalls zuhauf im Play Store zu finden: Tools, die versprechen den Akku zu "kalibrieren", und so die Laufzeit zu verlängern. Auch das ist "Schlangenöl verkaufen" im schlimmsten Sinne. Den Akku unter Android zu kalibrieren ist nämlich schlicht nicht möglich. Alles was diese Tools machen, ist die Datei batterystats.bin zu entfernen, womit die Akkuinformationen – etwa über den Verbrauch einzelner Apps – entfernt wird. Das hat aber keinerlei Auswirkung auf die reale Laufzeit des Geräts, ist also pure Kosmetik, indem der reale Verbrauch kurzfristig verschleiert wird. Und zudem ist das übrigens auch genau das Gleiche, das Android beim Abstecken eines Geräts nach einer vollen Ladung selbst vornimmt.

Fiat lux

Mit einer beeindruckenden Hartnäckigkeit haben sich Taschenlampen-Apps im Play Store festgefressen – manche davon mit mehr als 10 Millionen Installationen. Das ist umso verblüffender als praktisch jedes Android-Smartphone der letzten Jahre bereits eine solche Funktionalität von Haus aus mitliefert. Besonders amüsant ist dabei, dass beinahe jede dieser Apps mit dem "hellsten Licht" wirbt, obwohl der LED Flash bei Smartphones gar nicht in seiner Intensität verändert werden kann. Wer also nicht unbedingt ein spezifisches Feature (etwa Morsezeichen) von einer solchen App braucht, sollte sich also besser auch von dieser fernhalten.

Tipp

Damit dieser Artikel nicht bloß negativ ausfällt, zum Schluss noch ein Tipp, der im Gegensatz zu RAM-Cleanern und Co. tatsächlich die Systemperformance verbessern kann. Prinzipiell empfiehlt es sich die Zahl der installierten Apps überschaubar zu halten, also nicht benutzte Programme auch wieder zu entfernen. Apps, die unnötig herumliegen, brauchen nur Platz, und im schlimmsten Fall auch Ressourcen – auch wenn Android mittlerweile einiges tut, um dies zu unterbinden. Welche Apps man schon länger nicht mehr verwendet hat, lässt sich etwa über den Play Store herausfinden, bei dem sich die installierten Apps seit einiger Zeit auch nach ihrem letzten Nutzungsdatum sortieren lassen.

Besonders gilt dieser Ratschlag für Apps die man gar nicht freiwillig installiert hat, was gerne als Bloatware bezeichnet wird. Diese Programme können zwar üblicherweise nicht komplett entfernt werden, lassen sich aber meist zumindest deaktivieren. Und wer diese nicht nutzt, sollte dies auch tun. Und wer schon so weit ist, sollte sich dann als nächstes Smartphones am besten eines aussuchen, das von Haus aus mit möglichst wenig solchem Ballast ausgeliefert wird. (Andreas Proschofsky, 24.9.2017)