Zu Jahresbeginn setzte Theresa May ganz auf den harten Brexit mit vollständigem Austritt aus dem Binnenmarkt und der Zollunion. Um ihre konservative Partei zu stärken, rief sie vorzeitige Wahlen aus und verschwendete sieben kostbare Wochen der ohnehin knappen Verhandlungszeit mit Brüssel. Ihrer extremen Haltung mochten die Briten aber nicht folgen. Seit dem Urnengang im Juni steht May mit einer Minderheitsregierung schwach da – eine Premierministerin für eine Übergangsfrist.

Die Florentiner Rede trägt der neuen Situation Rechnung. Erstmals bat May öffentlich um eine zweijährige Übergangsfrist für ihr Land nach dem Austritt Ende März 2019. Weil während dieser Zeit die vereinbarten Zahlungen aus London weiterfließen, muss sich die EU nicht mehr um ihren bis Ende 2020 laufenden Finanzplan sorgen. Unternehmen zu beiden Seiten des Kanals gewinnen Zeit für die Planung. So weit, so gut – ein Sieg für die pragmatische Fraktion im zerstrittenen Londoner Kabinett.

Unklar bleibt, wie die Reise danach verlaufen soll. Das liegt daran, dass die EU-Hasser die von der Wirtschaft bevorzugte größtmögliche Nähe zum Binnenmarkt ablehnen. Man kann Großbritannien nur wünschen, dass der Einfluss von Johnson, Gove & Co weiter abnimmt. Die EU-Staaten könnten dazu beitragen, indem sie ebenso die Hardliner in Brüssel an die Kandare nehmen und einem pragmatischen, für alle Seiten positiven Nebeneinander den Weg ebnen. (Sebastian Borger, 22.9.2017)