Wien – In vierzig Zweiergesprächen an vier Standorten rund um den Karlsplatz widmet sich das zweite Vienna Humanities Festival bis Sonntagabend dem Thema "Revolution" aus unterschiedlichen Perspektiven. Zum 100. Jahrestag der Russischen Revolution geht es um andere historische Revolutionen und Aufstände: Luther 1517, Amerika 1776, das Revolutionsjahr 1848, Wien 1918, Budapest 1956, 1968; um heutige politische Umbrüche in der Ukraine, in der Türkei oder in der arabischen Welt; und um Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur.

Foto: STANDARD/Fischer

Der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer setzte sich bei der Auftaktveranstaltung mit dem Phänomen "Revolution!" auseinander. "Der Begriff Revolution ist ein wesentlicher Bestandteil der Politik", sagte er im Gespräch mit Rainer Schüller und führt deren Ausbruch auf verschleppte Reformen zurück. "Wenn Reformen blockiert werden, dann staut sich ein Druck auf. Wenn dieser kein Ventil findet, führt er zur Revolution", erläuterte der Sozialdemokrat.

Gilt das auch für Österreich, wo fast täglich über den Reformstau geklagt wird? Keinesfalls, sagt Fischer, dazu sei das Land einfach zu reich: "Jemand, der behauptet, in Österreich herrsche eine revolutionäre oder prerevolutionäre Situation, der analysiert nicht richtig."

GroKo-Prognose

Zur kommenden Nationalratswahl und der Zukunft der Großen Koalition hielt sich Fischer mit einer Prognose zurück, räumte aber ein, dass die Zusammenarbeit zwischen SPÖ und ÖVP mit einer "politischen Hypothek belastet" sei. Fischer: "Dass sich die beiden langjährigen Regierungsparteien SPÖ und ÖVP auseinandergelebt haben, ist unübersehbar. Dass außerdem der jetzige Vorsitzende der ÖVP die Koalition – das wird immer deutlicher – nach sorgfältiger Überlegung zu Fall gebracht hat, bestreitet auch niemand mehr. Das sind keine idealen Voraussetzung, um wieder mit einer großen Koalition zu starten." Dennoch sei es nicht in Stein gemeißelt, dass es in den nächsten Jahren keine Große Koalition mehr geben werde.

Veranstaltet wird des Festival vom Wien-Museum, dem Institut für die Wissenschaft von Menschen und Time to Talk. Museums-Direktor Matti Bunzl leitete einst das Humanities Festival in Chicago und brachte das Modell im Vorjahr mit großem Erfolg erstmals nach Wien. DER STANDARD ist Medienpartner. (red, 22.9.2017)