"In Österreich dauert eine Gründung 21 Tage, in Estland nur zwei Tage", sagt Douglas Hoyos. Sollte der Junos-Chef ins Parlament gewählt werden, will er sich für Start-ups einsetzen.

Foto: Matthias Cremer

STANDARD: Matthias Strolz will Vizekanzler und Bildungsminister werden, Irmgard Griss will Justizministerin werden: Die Neos versuchen, durch ambitionierte Ansagen im Gespräch zu bleiben. Ist es so schwer, anders zu punkten?

Hoyos: Wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie Koalitionen nach der Wahl ausschauen können und wie wir unsere Schwerpunkte einbringen. Das ist bei Matthias Strolz das Thema Bildung. Wir machen klar, wo unsere Prioritäten liegen.

STANDARD: Vizekanzler erscheint dennoch ein wenig unrealistisch.

Hoyos: Bei einer Dreiparteienkoalition ist das nicht ausgeschlossen. Aus aktueller Sicht sind die ersten drei Plätze recht klar. Wir können dieses Mal mehr Stimmen als die Grünen bekommen. Deshalb ist Vizekanzler möglich, aber nicht unsere Priorität.

STANDARD: Welche Präferenz haben Sie: Regierung oder Opposition?

Hoyos: Wir haben uns ja nicht gegründet, um ewig in Opposition zu bleiben und der Regierung unseren Aktionismus entgegenzusetzen. Natürlich hoffe ich, dass wir einen Auftrag zur Gestaltung bekommen. Dafür müssen aber die Voraussetzungen stimmen. Ich will nicht wegen Posten in eine Regierung gehen.

STANDARD: Welche Anliegen wollen Sie im Parlament vertreten?

Hoyos: Mir ist Generationengerechtigkeit wichtig. Wir gehen immer weiter weg von der Vorstellung, dass wir das Land der nächsten Generation in dem Zustand überlassen, wie wir es vorgefunden haben. Gerade bei den Pensionen liegt viel im Argen, das können wir langfristig nicht finanzieren. Jeder junge Mensch soll später einmal eine Pension bekommen, von der er leben kann. Das ist aber in unserem System nicht absehbar.

STANDARD: Es ist schwierig, das jungen Leuten näherzubringen.

Hoyos: Es geht einfach um Chancen, die man dadurch ermöglicht, damit wir jungen Menschen eine Perspektive bieten. Pensionen sind im Budget ein großer Brocken. Jeder Österreicher wird mit 40.000 Euro Schulden geboren – wenn meine Eltern mir diesen Schuldenberg vererben würden, wäre ich fassungslos. Wir nehmen das aber einfach hin, weil es staatliche Schulden sind und wir sie nicht unmittelbar spüren. Dabei ist das essenziell.

STANDARD: Auf Ihrer Homepage schreiben Sie, dass Sie junges Gründen fördern möchten: Sprechen Sie damit nicht eine kleine Zielgruppe an?

Hoyos: Die Start-up-Szene in Österreich ist nicht klein. Ich habe erst im Waldviertel einen Kaffeeröster besucht, der begonnen hat, mit einem umgebauten Toaster Kaffee zu rösten. Mittlerweile hat er eine Maschine und beliefert verschiedene Lokale in Wien mit seinem Kaffee. Die Leute erzählen immer dieselbe Geschichte: Es ist extrem schwer, zu gründen. Es gibt zu viele Barrieren für Einpersonenunternehmen. In Österreich dauert eine Gründung 21 Tage, in Estland nur zwei Tage.

STANDARD: Dass das Thema Einpersonenunternehmen zu den pinken Kernwerten gehört, ist bekannt. Dennoch sprechen Sie damit eine privilegierte Schicht an und weniger den jungen Hackler?

Hoyos: Das sind nicht unbedingt privilegierte Leute, sondern Menschen mit Visionen. Wir sollten jedem ermöglichen, seine Träume zu verwirklichen.

STANDARD: Das muss man sich auch leisten können.

Hoyos: Ich gebe zu, Start-ups werden einen Lehrling in seinem ersten Lehrjahr nicht interessieren. Dennoch ist es eine große Zielgruppe. Natürlich hat es ein Millionärssohn einfacher, etwas zu gründen. Wir wollen jedem diese Möglichkeiten eröffnen.

STANDARD: Bei manchen Forderungen sind die Junos, deren Chef Sie sind, noch liberaler als die Neos. Warum wollen Sie etwa beim Wohnen die Vermieter unterstützen, sodass Mieter jederzeit gekündigt werden können. Für eine Jugendorganisation ist das unüblich.

Hoyos: Vermieter dürfen nicht zur Geisel der Mieter werden. Das passiert aber teilweise, weil das Mietrecht so kompliziert ist. Es sind ja nicht die Immobilienhaie, die Probleme haben, den Mietern zu kündigen. Es sind meistens Personen, die eine Wohnung haben und vermieten und nur schwer ein Mietverhältnis beenden können.

STANDARD: Was überrascht: Die Junos treten im Rahmen eines Flat-Tax-Modells für eine Erbschafts- und Schenkungssteuer ein. Strolz sagt doch immer, dass es mit ihm keinesfalls neue Steuern geben wird.

Hoyos: Ich bin auch gegen neue Steuern. Aber es ist auch Neos-Position, dass wir die Steuer- und Abgabenquote senken wollen. Wir haben ein komplett anderes Abgabensystem vorgeschlagen, mit einem Einheitssteuersatz. In diesem Rahmen ist eine Vermögenssteuer durchaus sinnvoll.

STANDARD: Ist Vermögenssteuer nicht ein Reizwort für Liberale?

Hoyos: Wenn es einen einheitlichen, niedrigen Steuersatz gibt, ist es sinnvoll, im aktuellen System steht es nicht zur Diskussion.

STANDARD: Beim vergangenen Bundeskongress der Junos im Juni wurde ein liberales Rauchergesetz gefordert, obwohl die Neos mittlerweile für das generelle Rauchverbot in der Gastronomie sind.

Hoyos: Das ist eine schwierige Diskussion. Ist der Schutz des Einzelnen wichtiger oder soll der Unternehmer frei entscheiden, wie es in seinem Lokal gehandhabt wird. Wir wollten mit diesem Beschluss einen Beitrag zur Debatte leisten. Wir sind für die Freiheit des Einzelnen, das ist durchaus legitim.

STANDARD: Selbst wenn die Freiheit eines Einzelnen durch die Entscheidung eines anderen eingeschränkt wird?

Hoyos: Ich entscheide ja selbst, ob ich ein Lokal betrete.

STANDARD: Eine Abschlussfrage zum Wahlkampf: Wie konnte es passieren, dass das am längsten dienende ÖVP-Regierungsmitglied plötzlich als Erneuerer dasteht und den Wahlkampf bestimmt?

Hoyos: Die ÖVP macht zum ersten Mal seit vielen Jahren eine gute Kampagne. Aber wir haben diese Dynamiken immer wieder erlebt: Mitterlehner war auch nicht neu, und es gab für kurze Zeit den Django-Effekt. Trotzdem steht Sebastian Kurz für das alte System, selbst wenn er es anders behauptet, das liegt an der bündischen Struktur der ÖVP. Das wird den Wählern noch auffallen. (Marie-Theres Egyed, 25.9.2017)