Voodoo-Rituale werden bis heute praktiziert. Eine Wiener Forscherin hat sie in der Dominikanischen Republik dokumentiert.

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Der Gedanke der Besessenheit durch das Geisterhafte ist ein Grundpfeiler des Voodoo-Glaubens. Die Präsenz dieser Wesen im Alltag der Gläubigen hat vor allem die Fantasie der Populärkultur angeregt. Die Wiener Wissenschafterin Yvonne Schaffler erforschte das Thema in der Karibik. Dabei zeigte sich, wie die "Besessenen" in Riten, die auch "Party-Charakter" haben können, Traumaarbeit leisten.

In das oftmals düstere Bild des Voodoo passen die systematischen Beobachtungen kaum, die die Kultur- und Sozialanthropologin mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF im Rahmen ihrer mehrjährigen Feldforschung unter dem Titel "Geistbesessenheit: Modi und Funktion" gemacht hat. "Viele Voodoo-Zentren erinnern etwa an katholische Kapellen: Zahlreiche Heiligenbilder, Blumen, Kerzen und andere Devotionalien formieren sich zu kleinen Altären. Oft sind diese allerdings in Privaträumen untergebracht", heißt es in einer Aussendung des FWF. Die dortigen Abläufe und Riten hat die an der Medizinischen Universität Wien und an der Sigmund Freud Privatuniversität tätige Forscherin in mehr als 100 in der Dominikanischen Republik gefilmten Episoden dokumentiert. Darüber hinaus hat sie die Lebensgeschichten von 19 Personen erfasst, die entweder als Voodoo-Praktizierende bzw. "Heiler" tätig sind oder selbst Besessenheit erleben.

In Trance sein

Unter Besessenheit wird ein zeitlich begrenzter Trancezustand verstanden, bei dem sich Betroffene von externen Mächten wie Ahnen oder Gottheiten kontrolliert fühlen. Das kann zu desorganisiertem oder aggressivem Verhalten führen. Oft fehlt sogenannten unfreiwillig Besessenen danach die Erinnerung an die Vorkommnisse während der Trance (Dissoziation). Auftreten können diese Zustände auch bereits im Kindesalter, so die Forscherin, die sich neben der sozialen Funktion auch mit dem Auftreten von Besessenheit im Lebensverlauf auseinandersetzte.

"Ich habe festgestellt, dass davon Betroffene oft leidvolle Erfahrungen hinter sich haben, wie etwa häusliche Gewalt, Verlust von Bezugspersonen oder Diskriminierung", so Schaffler. Viele neigten auch zu körperlichen Symptomen wie Schlaflosigkeit oder Kopfschmerzen. Die Forscherin berichtet über einen engen Zusammenhang zwischen traumatischen Erfahrungen und dem Auftreten des Phänomens.

Im Gegensatz zu Versuchen, die "Dämonen" in einem dem Betroffenen gegenüber feindlich gestimmten Umfeld sozusagen auszutreiben, könne ein sogenannter "Initiationsprozess" Besserung bringen. Ähnlich der Therapieform des "Psychodrama", bei dem Klienten in Form einer Art "Aufführung" ihr Thema bearbeiten, werden im Rahmen des Voodoo-Kult unter professioneller Anleitung die Trance-Erfahrungen immer wieder durchlebt und aufgearbeitet. "Dadurch wird zuvor unkontrollierte Trance strukturiert und kontrollierbar", so Schaffler.

Positive Energie

Im Angesicht dieser Traumaarbeit könne auch verstanden werden, warum Besessenheit in Afrika oder der Karibik nicht grundsätzlich negativ gesehen werde. Sie sei als Form des Kontakts zu den Geistern erwünscht und eröffne verbesserte Möglichkeiten des Selbstausdrucks. Da man laut Schaffler "mit den Geistern nicht auf schlechtem Fuß stehen" möchte, konzentrieren sich die von ihr untersuchten Rituale grundsätzlich auf positive Energien und heilende Kräfte: "Viele Rituale sind dementsprechend unterhaltsam, lustig und haben geradezu Party-Charakter." (APA, 25.9.2017)

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