Soziaplartner Foglar und Leitl: Bei blauer Regierungsbeteilung droht ihr Einfluss zu schrumpfen

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Die Chancen für eine Neuauflage der großen Koalition stehen nach allgemeiner Einschätzung nicht besonders gut. Kommt nach dem 15. Oktober tatsächlich eine Variante mit Blau, dann bedeutet das aber nicht nur einen Kurswechsel in der Regierungspolitik.

Auch für die Sozialpartnerschaft bringt das wahrscheinliche Ende der rot-schwarzen Zusammenarbeit einen Einschnitt – und vor allem einen Verlust an Einfluss. Immerhin bildet die Sozialpartnerschaft – das institutionalisierte System des Interessenausgleichs zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern – das außerparlamentarische Rückgrat der Zusammenarbeit zwischen SPÖ und ÖVP.

Kammern und Gewerkschaften sind zwar nominell überparteilich, aber aufgrund der jeweiligen Dominanz von entweder Rot oder Schwarz gibt es zahlreiche Verflechtungen – auch personeller Natur. Und diese personellen Verflechtungen beeinflussen die Personalauswahl für die Regierungsämter.

Die Grafik unten zeigt den Anteil der Regierungsmitglieder (Staatsekretäre gehören da formal eigentlich nicht dazu, werden hier aber mitgerechnet) seit dem Kabinett Kreisky I, die vor dem Zeitpunkt ihrer Ernennung politische Funktionen (zum Beispiel Kammerräte, Vorstandsmitglieder) oder Angestelltenverhältnisse in Wirtschafts-, Landwirtschafts- oder Arbeiterkammer beziehungsweise bei einer Gewerkschaft (oder beim ÖGB) hatten.

Die dunkel hervorgehobenen Säulen markieren die Kabinette mit FPÖ-Beteiligung (zunächst unter SPÖ-, dann unter ÖVP-Führung). Deutlich zu sehen ist, dass der Anteil an Regierungspersonal mit Sozialpartner-Verbindung unter Rot-Blau beziehungsweise Schwarz-Blau niedriger ist als sonst (mehr Details und Daten dazu gibt es in dieser Studie).

Lag der Sozialpartner-Anteil in den Kreisky-Kabinetten noch bei rund 40 Prozent, fällt er unter Rot-Blau Mitte der 1980er-Jahre auf rund ein Fünftel. Unter Schwarz-Blau (ab April 2005 Schwarz-Orange) ist überhaupt nicht einmal mehr jedes sechste Regierungsmitglied in Kammer oder Gewerkschaft verankert.

Auf den ersten Blick mögen diese Zahlen trivial erscheinen. Logisch, dass mit der FPÖ in der Regierung weniger Kämmerer und Gewerkschafter zu Ministerehren oder in Staatssekretariate gelangen. Doch das allein erklärt die unterschiedlichen Werte nicht. Rechnet man die von der FPÖ zu besetzenden Posten in den vier betroffenen Kabinetten heraus, dann ändert sich der Sozialpartner-Anteil kaum – teilweise sinkt (!) er sogar (Sinowatz: 26 Prozent, Vranitzky I: 19 Prozent, Schüssel I: 13 Prozent, Schüssel II: 7 Prozent).

Personal an den blauen Partner angepasst

Nicht nur die FPÖ nominiert also tendenziell weniger Leute mit Sozialpartner-Hintergrund (werden die Kammern und Gewerkschaften doch von Rot und Schwarz dominiert). Auch SPÖ und ÖVP passen ihre Personalpolitik an die politische Ausrichtung der Koalition an: In einer Koalition mit der FPÖ wird eher Personal ohne Sozialpartner-Hintergrund nach vorne geholt.

Naheliegend ist natürlich auch eine Art Selbstselektion: Personen, die sozialpartnerschaftlich sozialisiert sind, werden eher für großkoalitionäre Regierungsprojekte zur Verfügung stehen als für solche mit Parteien, die sich – wie die FPÖ – gegen die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern aussprechen. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP), der lange Jahre Vizepräsident der Wirtschaftskammer war, hat sich von Schwarz-Blau etwa schon vor längerem distanziert. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 26.9.2017)