Es kommt halt darauf an, was man daraus macht. Darum wurde mein Coach beinahe unwirsch. Denn in der Art, wie ich Harald Fritz fragte, was der Sinn der gelben Bohne sei und welchen Nutzen Normaloläufer aus den von ihr zusammengetragenen Daten ziehen könnten, schloss mein Trainer – vollkommen zu Recht –, dass ich voreingenommen sei: Fritz kommt aus IT und Mathematik. Er ist ein Datenfreak. Der Ausdauercoach glaubt aber nicht blind an den Einzelwert auf irgendeinem Display, sondern an Schlüsse, die er aus großen und größeren Bergen an Daten ziehen kann. Idealerweise aus Daten, die über einen längeren Zeitraum gesammelt worden sind – und die er dann mit dem, was das geschulte Auge sieht, und dem gesunden Menschenverstand in Relation setzt. Hatte ich wirklich erwartet, dass mein Coach das Teil mit den Worten "So ein Schas!" kübeln würde?

Foto: Thomas Rottenberg

Aber der Reihe nach: Als die PR-Dame von Garmin Deutschland im Frühjahr auf Österreich-Rundfahrt war, kündigte sie einen kleinen Sensorknopf in Zuckerlgröße an. Das Ding würde "Running Dynamics Pod" heißen und werde Werte messen, die man sonst – bei Garmin zumindest – nur über Brustgurte messen kann. Das Blöde: Brustgurte – also jene Gummibänder, über die der Herzschlag am Brustkorb gemessen wird – sind eine aussterbende Spezies. Bei allen Herstellern: Pulsmessung über in die Laufuhren integrierte optische Sensoren direkt am Handgelenk ist heute state of the art. Fein.

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Die Sache hat nur einen Haken – weil High-End-Brustgurte halt noch ein paar andere Dinge messen: Über den in sie (ja eh: den Sensor, nicht das Band) implementierten Trägheitssensor werden unter anderem auch Schrittfrequenz, Schrittlänge, vertikale Bewegung (also die Hoch-Tief-Bewegung des Rumpfes), Bodenkontaktzeiten und das vertikale Verhältnis der Bodenkontaktzeiten (also ob man links oder rechts länger am Boden ist) gemessen.

(Der zweite Haken: Das Teil war im Frühjahr in Österreich nicht lieferbar. Und zu Sommerbeginn ging es dann auf eine sehr lange Botendienste-Reise von Deutschland nach Wien, die erst Mitte September endete. Egal.)

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Die oben aufgezählten Werte werden jedenfalls unter "Laufeffizienz" subsummiert. Sie sind – subjektiv geschätzt – zwei Dritteln aller Läuferinnen und Läufer vollkommen unbekannt. Und – behaupte ich ebenso aus dem Bauch – den meisten, die davon schon gehört haben, reichlich blunzn. Ob zu Recht oder zu Unrecht, lasse ich einmal dahingestellt.

Freilich: Daran, dass Wissen – also vernünftig ausgewertete Datenberge – hilft, die eigene Performance zu optimieren, ändert das nichts. Wozu sonst rennt man mit einem Pulsmesser und einem Tacho herum – und kiefelt danach, wie man es anstellen könne, weiter zu kommen oder schneller zu werden. Oder beides.

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Beim Hinweis, dass Kraft und Ausdauer da nur zwei Faktoren sind, nicken die meisten LäuferInnen noch. Doch schon beim Wort "Lauftechnik" steigen sie dann aus: Als höchstes der Gefühle kommt ein huldvolles "ach ja, wegen der Fußstellung". Aber statt mit Technikübungen "kuriert" man "falsches" Auftreten (im Optimalfall) mit dem richtigen Schuh vom Experten.

Dass Lauftechnik vor allem die Laufeffizienz massiv beeinflusst, klingt zwar logisch – aber, Hand aufs Herz: Wer hat sich je wirklich mit jenen Milli-Millisekunden beschäftigt, die der linke Fuß länger am Boden ist als der rechte? Eben.

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An diesem Punkt fing mich Harald Fritz dann ab: "Ich schaue mir diese Werte bei der Laufanalyse sehr genau an", erklärte er. Und erläuterte auch, wieso das nicht nur für Spitzensportler wichtig ist: "Nimm zum Beispiel die vertikale Bewegung, das Heben des eigenen Schwerpunktes: Wenn du beim Laufen zu sehr hüpfst, kostet das Kraft. Das summiert sich: Ein Zentimeter Hüpfen pro Schritt bedeutet, dass du über die Marathondistanz deinen Körper 500 Meter höher hebst als nötig."

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Das gilt auch für Bodenkontaktzeiten oder Balance oder Schrittfrequenz: "Laufanalyse bedeutet, dass man sich diese Daten sehr genau ansieht. Meist unterstreichen sie das, was das geschulte Auge ja auch sieht – aber so hat man es eben auch noch schwarz auf weiß vor sich." Stimmt bestimmt – aber Fritz ist Sportwissenschafter. Und was tut ein Laie mit diesen Daten? "Das ist auf den diversen Portalen mittlerweile eigentlich recht gut und verständlich erklärt." Pause. "Man muss halt lesen, sich damit beschäftigen – und dann was draus machen."

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Zurück zum gelben Knopf. Den aktiviert man durch Schütteln, verbindet ihn mit der Laufuhr (vorausgesetzt sie wäre auch in der Lage die Effizienzdaten vom Brustgurt zu lesen) und klippt ihn dann hinten mittig an die Hose. Das ist wichtig: Form und Funktion ähneln schließlich denen von Fuß-Pods – auch wenn die heute fast schon unter Artenschutz stehen sollten.

Denn heute haben ja auch die meisten Laufuhren Bewegungssensoren eingebaut. So, wie sie früher in den Fußpods zum Einsatz kamen. Anders könnten die Wecker (aber auch Handies) ja – etwa in der Fitnesstrackerfunkion – weder Schritte noch Stockwerke noch Schwimmbeckenlängen oder sonstwas ohne aktiviertes GPS messen. Allerdings ist die Messung umso präziser, je "mittiger" sie am Körper durchgeführt wird. Und manches – etwa die Balance – lässt sich über das Handgelenk oder einen einzelnen Fuß wohl höchstens erraten. Deshalb war der Brustgurt ja auch der ideale Ort, um all diese Werte abzuholen – nur: Den Gurt ersetzen ist eben das angesagte Ziel aller Uhrenhersteller.

Wer trotzdem all diese Werte wissen zu müssen glaubt, muss eben zu Dynamic-Pods wie dem 70-Euro-Teil von Garmin greifen (es gibt ähnliche Geräte auch von anderen Herstellen, das ist dann aber oft ein Kompatibiltätsthema).

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Beim Laufen selbst schaut man gemeinhin nicht auf Effizienzdaten: Die momentanen Werte sind – mit Ausnahme der Schrittfrequenz – im Augenblick des Laufens relativ wurscht. Momentaufnahmen halt. Erst die Kombination und die Menge machen aus vielen bunten Punkten ein Bild. Aus diesem Grund habe ich – so wie die meisten Läufer in meinem Umfeld – diese Displays auf der Uhr unterwegs meist deaktiviert: Ich kann bei einem gemütlichen Longjog mit der Information, dass ich soeben ein Zigstel einer Millisekunde länger am Boden verweile als noch vor fünf Kilometern, erst etwas anfangen, wenn ich mir in Ruhe ansehen kann, wie schnell ich da war und wie ich mich subjektiv gefühlt habe.

Wenn überhaupt: In der Regel schaue ich mir das nur an, wenn ich mit meinem Coach über meine Lauftechnik spreche. Ehrlicherweise: wenn er mir Feedback auf meine Trainingsaufzeichungen gibt. Auf Deutsch: Ich schaue mir das selbst so gut wie nie an, bin aber froh, wenn ein Profi mir sagt, was er da alles herausliest – und mir sagt, was ich wie ändern kann oder worauf ich achten soll.

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Nichtsdestotrotz: Dass das für ein Gesamtbild – für die Komplettvermessung des Sportlers auf der Suche nach Selbstoptimierung – nützlich und sinnvoll ist, kapiere sogar ich. Genau deshalb komme ich an dieser Stelle an jenen Punkt, der mich dem gelben Knopf mit Skepsis gegenübertreten ließ: Auch wenn alle Laufuhrenhersteller behaupten, dass die Handgelenkspulsmessung mittlerweile exakt, präzise und zuverlässig ist, bin ich – das habe ich an dieser Stelle schon etliche Male beschrieben – scheinbar die Ausnahme von jeder Regel: Die Dinger (egal welcher Hersteller, egal welches Modell) zeigen bei mir Spaßwerte an. Nicht nur beim Intervalltraining oder in hohen oder extrem unterschiedlichen Belastungsbereichen.

Des lieben Friedens willen habe ich mich mit den PR- und Supportleuten aber darauf verständigt, dass das wohl an den Sommersprossen auf meinen Armen liegen muss. Dennoch: Dass der Brustgurt generell immer noch präziser und verlässlicher misst als der optische Handgelenkssensor, leugnen auch die Hersteller nicht.

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Nur: Wenn man Kunden – insbesondere Kundinnen – Ersatz für oft als scheuernd empfundene Brustgurte bieten möchte und dennoch Effizienzdaten bekommen will, muss man Alternativen bieten. Etwa Dynamic-Pods – denn den Brustgurt gleichzeitig abzuschaffen und anzupreisen widerspräche jeder Marketing- und Marktlogik. Das nicht bedacht zu haben war mein Fehler – und Grund meiner Voreingenommenheit gegen den gelben Knopf.

Harald Fritz sieht das professioneller: "Die Handgelenksmessung ist mittlerweile für die meisten Hobbyläuferinnen und Hobbyläufer verlässlich genug. Darum ist so ein Pod okay, wenn man diese Daten haben will." Pause. "Aber in einem Punkt hast du recht: Der Brustgurt wäre im Sinne der optimalen Gesamtdatenqualität immer noch die erste Wahl."

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Auch aus einem ganz anderen Grund: Hat man den zwölf Gramm leichten Knopf in Malteser-Größe einmal an der Hose, vergisst man ihn umgehend. Und auch wenn das Teil wasserdicht ist und man Funktions- und Sporttextilien eh nicht zu heiß waschen sollte, hat es wohl einen Grund, dass meine Uhr mich am Ende des Trainings darauf hinweist, den Pod nicht an der Hose zu lassen: Die Gefahr, den Brustgurt versehentlich nicht abzunehmen, besteht dagegen wohl eher nicht. (Thomas Rottenberg, 27.9.2017)

Der Garmin Running Dynamics Pod kostet knapp 70 Euro.


Hinweis im Rahmen der redaktionellen Leitlinien: Das beschriebene Gerät wurde für den Test vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

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