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Tauben sind bessere Multitasker als Menschen – das liegt an der hohen Dichte von Nervenzellen in ihrem Pallium.

Foto: REUTERS/Hannah McKay

Bochum – Wenn es darum geht, zwischen zwei Aufgaben rasch hin und her zu wechseln, stehen die Fähigkeiten von Tauben jenen der Menschen in nichts nach. Im Gegenteil: In manchen Situationen sind die Vögel sogar schneller als wir, wie deutsche Verhaltensforscher im Experiment herausgefunden haben. Als Ursache für die leichten Vorteile der Vögel beim Multitasking vermuten die Wissenschafter die höhere Neuronendichte im Gehirn der Tauben.

"Lange Zeit hat man geglaubt, dass die sechsschichtige Großhirnrinde von Säugern der anatomische Ursprung der kognitiven Fähigkeiten ist", sagt Sara Letzner von der Ruhr-Universität Bochum. Vögel besitzen eine solche Struktur aber nicht. "Also kann der Aufbau des Säuger-Kortex auch nicht die Voraussetzung für komplexe kognitive Funktionen wie etwa Multitasking sein", so Letzner weiter.

Dicht gedrängte Nervenzellen

Der Gehirnmantel von Vögeln, das Pallium, besitzt zwar keine Schichten, die mit dem menschlichen Kortex vergleichbar sind. Dafür sind die Neuronen darin dichter gepackt als in der menschlichen Großhirnrinde: Pro Kubikmillimeter Gehirn besitzen zum Beispiel Tauben sechsmal mehr Nervenzellen als Menschen. Dadurch ist die durchschnittliche Distanz zwischen zwei Neuronen bei Tauben nur halb so groß wie bei Menschen. Da die Signale von Nervenzellen bei Vögeln und Säugetieren gleich schnell weitergeleitet werden, hatten die Forscher angenommen, dass im Vogelgehirn Informationen schneller verarbeitet werden können als bei Säugern.

Diese Hypothese prüften sie mit einer Multitasking-Aufgabe, die 15 Menschen und 12 Tauben absolvierten. Die menschlichen und tierischen Probanden mussten im Versuch eine gerade ablaufende Handlung stoppen und so schnell wie möglich zu einer Alternativhandlung wechseln. Der Wechsel zur Alternativhandlung fand dabei entweder gleichzeitig mit dem Abstoppen der ersten Handlung statt oder mit einer kurzen Verzögerung von 300 Millisekunden.

Warum Tauben im Vorteil sind

Im ersten Fall findet echtes Multitasking statt, es laufen also zwei Prozesse parallel im Gehirn ab: nämlich das Abstoppen der ersten Handlung und der Wechsel zur Alternativhandlung. Sowohl Tauben als auch Menschen werden durch die Doppelbelastung dabei in gleichem Maße langsamer.

Im zweiten Fall – Wechsel zur Alternativhandlung nach Verzögerung – ändern sich aber die Abläufe im Gehirn: Die zwei Prozesse, also das Stoppen der ersten Handlung und der Wechsel zur zweiten Handlung, wechseln sich wie bei einem Pingpongspiel ab. Dafür müssen die Gruppen von Nervenzellen, die die beiden Prozesse kontrollieren, permanent Signale hin und her schicken. Die Forscher vermuteten, dass Tauben dabei aufgrund der größeren Dichte der Nervenzellen im Vorteil sein müssten. Tatsächlich waren sie 250 Millisekunden schneller als Menschen.

"In der kognitiven Neurowissenschaft ist es schon länger ein Rätsel, wie Vögel mit so kleinen Gehirnen und ohne einen Kortex so schlau sein können, dass einige von ihnen, etwa Krähen und Papageien, es kognitiv mit Schimpansen aufnehmen können", sagt Letzner. Die Ergebnisse der im Fachjournal "Current Biology" präsentierten Studie geben eine Teilantwort: Gerade durch das kleine, aber mit Nervenzellen dicht gepackte Gehirn reduzieren Vögel die Verarbeitungszeiten bei Aufgaben, die eine schnelle Interaktion zwischen Gruppen von Neuronen erfordern. (red, 27.9.2017)