Washington/Barcelona – Wenige Tage vor dem Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien wollen Spaniens Behörden die Öffnung der Wahllokale verhindern. Die Staatsanwaltschaft wies die Regionalpolizei am Dienstag an, die für die Wahllokale zuständigen Verantwortlichen zu identifizieren, voraussichtliche Wahllokale abzusperren und bis Sonntag zu bewachen.

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy sagte seine Teilnahme am Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs ab, der am Freitag in der estnischen Hauptstadt Tallinn stattfinden soll.

Das Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens wurde für verfassungswidrig erklärt. Zudem ordnete die spanische Regierung eine Besetzung der Wahllokale an. Beitrag aus der ZiB um 7 Uhr.
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Die Anweisung der Generalstaatsanwaltschaft werde normal umgesetzt, sagte ein Sprecher der katalanischen Regionalpolizei, der Mossos d'Esquadra, der Nachrichtenagentur AFP. Von der Haltung der Regionalpolizei, die ein hohes Maß an Autonomie genießt, sich aber an die spanischen Gesetze halten muss, hängt der Verlauf des Referendums ab, das am kommenden Sonntag abgehalten werden soll. Um ihre Kooperation sicherzustellen, will Spaniens Innenminister die Regionalpolizei am Wochenende unter seine Aufsicht stellen.

Regionalpolizei soll Referendum verhindern

Aus ganz Spanien wurden bereits 3.000 Beamte von Spezialeinheiten zur Auflösung illegaler Demonstrationen nach Barcelona verlegt. Spaniens Innenminister Juan Ignacio Zoido zudem ließ die Zahl der Einsatzkräfte der Nationalpolizei und der paramilitärischen Guardia Civil in Katalonien von 6.000 auf 10.000 Beamte aufstocken.

Für die 16.783 Mossos d'Esquadra, die katalanische Regionalpolizei, gilt eine unbefristete Urlaubssperre. Alle Beamten müssen im Einsatz sein. Nicht nur, um das vom spanischen Verfassungsgericht suspendierte Unabhängigkeitsreferendum zu verhindern. Madrid erwartet am Sonntag zudem Ausschreitungen und gewalttätige Massenproteste, sollte die spanische Polizei wie geplant die Volksbefragung über eine mögliche Abspaltung Kataloniens von Spanien unterbinden.

Der Polizeieinsatz sorgt für neuen Streit zwischen Madrid und Barcelona. Aber kurioserweise anders als gedacht. Josep Lluis Trapero, Chef der Regionalpolizei, ist ein überzeugter Unabhängigkeitsbefürworter. Auch der General-Direktor der Mossos, Pere Soler, erklärte die Aufgabe der Regionalpolizei sei es, "Rechte zu garantieren und nicht deren Ausübung zu verhindern".

Abstimmung für illegal erklärt

Aus Regierungskreisen verlautete, vor dem Hintergrund der "katalanischen Frage" sei es für besser erachtet worden, dass Rajoy am Freitag an der Kabinettssitzung in Madrid teilnehme. Das Referendum soll nach dem Willen der katalanischen Führung am Sonntag stattfinden, obwohl das spanische Verfassungsgericht die Abstimmung für illegal erklärt hat.

Die Generalstaatsanwaltschaft geht schon seit Mitte September gegen katalanische Bürgermeister, Schuldirektoren und Uni-Rektoren vor, die das Referendum mit der Bereitstellung von Wahllokalen unterstützen wollen. Die Wahlkommission trat zurück, nachdem das spanische Verfassungsgericht mit Geldstrafen in Höhe von 12.000 Euro pro Tag gedroht hatte.

Zehn Millionen Stimmzettel beschlagnahmt

Gegen die Organisatoren wurden bereits Ermittlungen eingeleitet. Die Polizei beschlagnahmte fast zehn Millionen Stimmzettel und schloss 59 Websites mit Informationen über das Referendum.

Der Außenminister der Regionalregierung, Raul Romeva, zeigte sich unterdessen überzeugt, dass die Bevölkerung trotzdem ein Referendum abhalten wird. "Die Leute werden am Sonntag rausgehen und massenhaft friedlich abstimmen", sagte Romeva der AFP. "Ich habe keinen Zweifel." Es werde genügend Stimmzettel, Wahlurnen und Wahllokale geben.

Trump gegen Abspaltung

US-Präsident Donald Trump stellte sich bei Rajoys Besuch im Weißen Haus auf dessen Seite und sprach sich gegen eine Abspaltung Kataloniens aus. "Spanien ist ein großartiges Land und sollte vereint bleiben", sagte Trump bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Allerdings sei ohnehin ungewiss, ob das Referendum überhaupt stattfinde. Rajoy rief die katalanische Regierung bei seinem Treffen mit Trump auf, zum "gesunden Menschenverstand zurückzukehren".

Zu einem anderen Referendum in Europa hatte Trump im vergangenen Jahr eine andere Haltung vertreten. Als Präsidentschaftskandidat trat er nachdrücklich für den Austritt Großbritanniens aus der EU ein und frohlockte über den entsprechenden Ausgang der britischen Volksabstimmung. (APA, red, 27.9.2017)