Wolfgang Schäuble wurde im Lauf des Mittwochs von immer mehr Politikern als Bundestagspräsident ins Spiel gebracht.

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Der Fahrplan für mögliche Jamaika-Sondierungsgespräche steht noch nicht fest, doch in Berlin werden bereits wichtige Personalentscheidungen für die nächste Legislaturperiode getroffen. So wird auch künftig ein politisches Schwergewicht an der Spitze des Parlaments stehen, nämlich Wolfgang Schäuble (CDU).

Er verlässt das Finanzministerium und soll am 24. Oktober in der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestags zum Präsidenten gewählt werden. Damit folgt er dem langjährigen Präsidenten Norbert Lammert (CDU) nach, der aus Altersgründen nicht mehr dem Bundestag angehört.

Längstdienender Parlamentarier

Schäuble ist seit 45 Jahren Mitglied des Bundestags und aktuell der am längsten dienende Parlamentarier. Auf seine Erfahrung setzt nicht nur die Unionsfraktion. Auch aus den Reihen der Sozialdemokraten, der Grünen, Linken und der FDP wurde Zustimmung signalisiert, denn Schäuble soll die AfD in Schach halten.

"Als herausragende Persönlichkeit verfügt Wolfgang Schäuble über eine natürliche Autorität, die an der Spitze des Deutschen Bundestages in diesen Zeiten von besonderer Bedeutung ist", sagt FDP-Chef Christian Lindner. Zwar hat AfD-Fraktionschef Alexander Gauland erklärt, man werde im Bundestag eine andere Sprache pflegen als im Wahlkampf. Doch die anderen Fraktionen erwarten raue Töne.

Schäubles Abgang aus dem Finanzministerium eröffnet Kanzlerin Angela Merkel aber auch neue Spielräume bei den Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition. Sie räumte am Mittwoch ein, "dass wir eine ganze Reihe von Hausaufgaben haben, die Menschen uns aufgegeben haben, die diesmal nicht die CDU gewählt haben". Die Union habe als Wahlsieger aber ihre "strategischen Ziele erreicht", sagte Merkel. Es stünden nun Gespräche an, "in denen wir eine stabile Regierung bilden wollen".

FDP will das Finanzressort

Die FDP erhebt Anspruch auf das Finanzministerium, es wäre dann frei. Lindner selbst will es nicht übernehmen, er wird an der Spitze der Fraktion stehen. Aber dem Finanzexperten Hermann Otto Solms werden Ambitionen nachgesagt.

Doch bevor es überhaupt zu Sondierungsgesprächen zwischen Union, FDP und Grünen kommt, müssen zuerst CDU und CSU noch auf einen Nenner bei der Obergrenze für Flüchtlinge kommen. Am Mittwoch war CSU-Chef und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer noch damit beschäftigt, seine parteiinternen Kritiker in der CSU zu bändigen.

Diskussion mit CSU-Basis

Nach einigen Rücktrittsforderungen aus der CSU an ihn, ging er zur Gegenattacke über und erklärte im bayerischen Landtag, dass man jetzt zusammenhalten müsse, sonst könne er in Berlin nicht mit Stärke verhandeln.

Zu den Rücktrittsforderungen sagte er: "Der Schaden ist schon entstanden, der ist nicht mehr auszuradieren." Diskutiert werden soll am Parteitag im November. Seehofer wiederholte, dass er sich der Wiederwahl als Parteichef stellen werde, und meinte: "Ich habe jetzt keinen Grund, eine Neuorientierung vorzunehmen." Er will mit der Basis aber zuvor schon über die Ursachen des schlechten Wahlergebnisses (minus 10,5 Prozent) diskutieren.

Gerüchte um Parteigründung

Apropos Neuorientierung: Diese scheint es auch bei Ex-AfD-Chefin Frauke Petry zu geben. Wie jetzt bekannt wurde, hat sie sich bereits Anfang Juli eine Domain mit dem Namen www.dieblauen.de gesichert. Blau ist die Farbe der AfD. Darauf angesprochen, ob sie eine neue Partei gründen wolle, antwortete sie ausweichend.

Ihr Ehemann Marcus Pretzell, der in Nordrhein-Westfalen ebenfalls Partei und Fraktion verlassen hat, erklärt: "Wir sind dabei, wir führen eine ganze Menge Gespräche in diesen Tagen." Dem Kölner Stadtanzeiger sagte Pretzell, Vorbild könnte die CSU sein: "Man braucht die CSU bundesweit. Ein Modell auf Bundesebene erscheint mir sehr interessant." Auch der ÖVP-Chef Sebastian Kurz sei laut Pretzell ein Vorbild.

Der AfD-Politiker Dirk Driesang, der zu Petrys Getreuen zählt, sagt über die Erfolgschancen allerdings: "Ich halte eine solche Parteigründung für aussichtslos."

Die SPD-Fraktion im deutschen Bundestag hat seit Mittwoch die erste Frau an ihrer Spitze. Die bisherige Arbeitsministerin Andrea Nahles wurde mit 90 Prozent Zustimmung gewählt. Sie will als Oppositionsführerin die Union hart angehen und kündigte an: "Ab morgen kriegen sie in die Fresse." (Birgit Baumann aus Berlin, 27.9.2017)