Tex Perkins hat seine Biografie geschrieben.
Sie ist so gut wie seine Musik.

Christian Fischer

Wien – Dieses Buch ist ein kleines Wunder. Denn es ist eine Autobiografie, und das ist ungewöhnlich. Normalerweise genießen Protagonisten solcher Leben nicht das Privileg, es selbst erzählen zu dürfen. Denn Tex Perkins ist eine Figur, die sich dem Rock 'n' Roll mit konfessioneller Blödheit verschrieben hat. Das ist natürlich als Kompliment zu verstehen. Einem wie Perkins kommen platte Zuschreibungen wie Rampensau oder Rock-'n'-Roll-Tier nicht einmal nahe, und doch ist er genau das.

Das bedeutete Ausschweifungen, Grenzgänge und jede Menge potenzielle Möglichkeiten, frühzeitig auszuchecken. Doch Perkins erwies sich als zäh. Und jetzt, mit 52, hat er eine Autobiografie geschrieben. Tex heißt sie, und der knappe Titel gibt schon einen Hinweis auf den lakonischen Stil der 340 Seiten umfassenden Erinnerungen im australischen Macmillan-Verlag.

Unterwegs mit kleinem Gepäck

In Australien ist Tex Perkins ein berühmter Mann. Berüchtigt machten ihn Bands wie die Beasts Of Bourbon oder The Cruel Sea, denen er als Vollkontaktmann Gesicht und Stimme gab. Doch die beiden sind nur die Spitze des Eisbergs, Perkins wechselt die Bands wie die Hemden. Wobei, wenn er auf Tour war, entstand der Eindruck, er reise mit kleinem Gepäck, mit Sonnenbrille und einem Packerl Tschik. Auch Räude gehört zum Rock 'n' Roll.

Perkins genoss eine durchschnittliche Kindheit und Jugend. Brave katholische Eltern, weshalb er früh vom rechten Weg abkam und der Musik des Teufels verfiel, die ihn mit der Zäsur von Punk zum Mitmachen anstiftete. Ab da gab es für den als Gregory Stephen Perkins geborenen Tunichtgut kein Halten mehr.

Abhängen mit Nirvana

Nach ersten Tret- und Brüllversuchen vor Publikum als Tex Deadly in der Band The Dum Dums gründete er die Beasts of Bourbon. Anders als oft kolportiert lehnt sich der Bandname nicht an den Rolling-Stones-Song Beast of Burden. Mit den Biestern veröffentlichte er 1984 The Axeman's Jazz, das erste von sechs Alben. Benannt nach einem Axtmörder, der einst in New Orleans umging und nur Haushalte verschonte, aus denen Jazz zu hören war. Perkins nennt es "ein Dokument der besten Tage seines Lebens" . Dabei verbrachte er diese Tage zum Gutteil damit, sich mit buchstäblich allen Mitteln um seine Nüchternheit zu bringen.

"Evil Ruby" – der Opener von "The Axeman's Jazz".
MistressOfSpices

Von der Reputation der Beasts of Bourbon als mächtige Liveband konnte man sich bis 2007 auch hierzulande immer wieder überzeugen, bistdunarrisch. Doch just der Höhepunkt der Band verunsicherte Perkins am meisten. In einem Kapitel beschreibt er, wie er 1993 in New York mit Sonic Youth und Nirvana bei MTV abhing: "I'd never felt more like a jerk-off B-grader in my life."

Abhängen mit den Stones

Erfolg, das erwähnt er in Tex öfter, kam in der Planung seiner Karriere genauso wenig vor wie Planung und Karriere. Ein typisches Dilemma der Punkgeneration, die es anders machen wollte als die Rockdinosaurier vor ihr.

Doch der Erfolg blieb so hartnäckig, wie Perkins sich dagegen wehrte. Die Band The Cruel Sea, bei der er vom Lichtmann zum Sänger aufstieg, wurde in den 1990ern in Australien mit Awards zugeschüttet und tourte mit den Rolling Stones. Nicht einmal Perkins Unbeherrschtheit konnte verhindern, dass die Band hunderttausende Alben verkaufte. Das im Buch abgebildete Foto seines am Arsch zerrissenen Anzugs nach einer Schlägerei bei der ARIA-Preisverleihung illustriert den Umgang mit seiner Berühmtheit wohl am besten.

"This Is Not The Way Home" – Tex mit The Cruel Sea am Weg zum Erfolg.
Roger Griffin

Dazwischen erzählt Perkins immer wieder vom Touren. Oder vom "Sport". Von dem Ballspiel "Zone Ball", das er als Zeitvertreib während vieler Tourneen erfunden hat, bei dem man aber nur eine Hand verwenden darf. Warum nur eine? "Wahrscheinlich, weil ich in der anderen immer ein Bier hielt. Oder einen Joint."

Abhängen in Amsterdam

Oder wie seine schiere Präsenz einen Raum in Amsterdam zum Verstummen brachte. Tatsächlich wurde es nur still, weil er sich auf sieben Linien Koks gesetzt hatte. Er musste also vorsichtig den Hintern heben, von dem dann sieben Personen ihre kalorienarme Zwischenmahlzeit absaugten.

Oder wie er auf seinem ersten Business-Class-Flug kopfüber von der Treppe der ersten Klasse fiel. Einmal ein Misfit, immer ein Misfit. Perkins gibt zu, ein kompetitiver Charakter zu sein, der sich zu einem richtigen "Arsehole" auswachsen kann, gleichzeitig stört es ihn nicht, zu verlieren, solange er seinen Spaß dabei hat.

Neben dem Rock 'n' Roll der Beasts und den von Surf geprägten, eingängigeren Cruel Sea orientierte sich Perkins noch in andere Richtungen. Mit dem Trio Tex, Don & Charlie widmete er sich prächtigem, nach der Sperrstunde ins Glas schielenden Männerblues oder gründete mit Tim Rogers die Haberer-Combo T'N'T.

Männerblues von Tex, Don & Charlie.
HipTony2

Daneben passierte ihm eine Familie und fünf Kinder, und er arrangierte sich widerwillig mit dem Umstand, ein gefragter Musiker zu sein. Als solcher spielt er seit Jahren in einer erfolgreichen Musiktheaterproduktion, in der er den "Man in Black" gibt, Johnny Cash. Ein Idol, natürlich.

Abhängen mit Iggy

Ein anderes ist Iggy Pop, ein Bruder im Geiste und in der Ohnmacht. Natürlich stand Tex mit Iggy gemeinsam auf der Bühne. Pop schreibt auf dem Einband des Buches: "Tex is the realest dude out there. He is a born stone stud-symbol. I wish I was more like Tex."

Perkins konterkariert seine launigen Kriegsgeschichten als harter Kritiker seiner selbst. Kaum eines seiner Alben besteht vor seinem Urteil. Da irrt er natürlich. Doch lieber als zurück blickt er nach vorne. "If a change is as good as a holiday, then I'm on permanent vacation", schreibt er. Veränderung kann alles sein, sogar ein Engagement in der Politik.

Abstecher in die Politik

Um das Palais Theatre in seiner Heimatstadt zu retten, kandidierte er als Lokalpolitiker. Nicht um zu gewinnen, sondern um Druck auf die nur eine dünne Mehrheit genießende Labor Party auszuüben. Er stellte seine Unterstützung für sie in Aussicht, wenn sie das Gebäude renovieren würden. Nachdem der Deal widerwillig eingetütet und das Palais Theatre von St. Kilda gerettet war, trat er zurück – und wählte die Grünen.

Ein Mann von Ehre, der sich mit Tex würdig unwürdig verewigt hat. (Karl Fluch, 27.9.2017)