Kurz zu Lunacek: "Sie sagen hier jedes Mal was anderes. Bei Kern sagten Sie: Rot-Blau steht bevor! Bei mir: Schwarz-Blau steht bevor!"

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Wien – Zum zweiten Mal innerhalb einer Woche stand im TV ein türkis-grünes Kontrastprogramm an: Nach der geschlagenen Wahl beim großen Nachbarn hat die grüne Frontfrau Ulrike Lunacek auf Puls 4 ÖVP-Chef Sebastian Kurz bereits vorgeworfen, die deutsche AfD rechts zu überholen – und beim ORF-Duell am Donnerstagabend ging es zwischen den beiden ähnlich hart zur Sache.

Zuerst will Moderatorin Claudia Reiterer von Lunacek wissen, aus welchen Gründen Frauen wohl ÖVP wählen. Die Grüne schlagfertig: "Schwer zu sagen – vielleicht, weil ihnen Herr Kurz gefällt?" Der ÖVP-Obmann beantwortet die Wahlmotive weiblicher Stimmberechtigter, die ihr Kreuz bei den Grünen machen, zunächst noch wie ein Sir: "Weil die Grünen in der Frauenpolitik viel geleistet haben."

Konfrontation Kurz-Lunacek: Wahlkampfthema Frauenpolitik
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Dann schweift er aber gleich ab: Frauen würden auch gern ÖVP wählen, meint Kurz, weil es ihnen darum geht, "unsere Werte zu verteidigen", etwa gegen den politischen Islam. Dazu Lunacek trocken: "Es ist wirklich auffallend – Sie schaffen es bei jedem Thema gleich zum Islam zu wechseln!" Davon unbeeindruckt lobt Kurz sogleich das von ihm initiierte Burka-Verbot, das mit Oktober in Kraft tritt.

Keine schlechte Nachrede als Feministin

Reiterer ruft Lunacek in Erinnerung, dass Peter Pilz ihre Partei verlassen hat, weil er den Grünen vorwirft, die Augen vor den islamistischen Tendenzen zu verschließen. Die Spitzenkandidatin weist das weit von sich: "Ich lasse mir als Feministin nicht nachsagen, dass wir hier ein Auge zudrücken!" Dazu steht sie nicht an, die Burka als "Stoffgefängnis für jede Frau" zu qualifizieren.

Konfrontation Kurz-Lunacek: Politischer Islamismus und Kopftuchverbote
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Der nächste Schlagabtausch dreht sich um das saudische Abdullah-Zentrum in Wien, das Lunacek geschlossen sehen will, weil in Riad Menschenrechtsverletzungen auf der Tagesordnung stehen. Der Integrationsminister pocht darauf, dass dort "interkultureller Dialog stattfindet".

Differenzen tun sich auch bei der "Ehe für alle" auf: Lunacek ist für eine Heirat auch für Homosexuelle als "öffentliches Ritual" – Kurz kann sich keine Freigabe einer Abstimmung im Parlament wie in Deutschland vorstellen, denn noch bestehende Unterschiede könne man auch so alle gesetzlich angleichen.

Konfrontation Kurz-Lunacek: Ehe für alle

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Ein wenig ins Schleudern gerät der Außenminister bei der Entwicklungshilfe. Lunacek hält ihm eine Länder-Vergleichsgrafik auf seiner Website vor, bei dem die Länder mit der höchsten Ausgabenquote weggelassen worden seien, wie sie behauptet. "Sie manipulieren hier die Darstellung", so die Grüne. Kurz verspricht, sich das anzuschauen, er kenne die Grafik nicht. Faktum sei, dass er für eine Trendwende gesorgt habe. Die 0,7 Prozent des BIP seien nicht erreicht, doch man habe die Gelder für den Auslandskatastrophenfonds vervierfacht, jene für die Entwicklungszusammenarbeit verdoppelt.

Ähnlich konträr verläuft die Debatte bei der Mindestsicherung und zum Freihandelsabkommen mit Kanada Ceta. Einig sind sich die zwei nur in einem: Bei ihrer Einschätzung, wie unwahrscheinlich es ist, dass Türkis und Grün miteinander koalieren. "Ich sehe kaum Überschneidungen", sagt Lunacek. Ähnlich Kurz: "Obwohl wir beide Proeuropäer sind, haben wir in vielen Bereichen unterschiedliche Auffassungen." Nachsatz: "Und Sie sagen hier jedes Mal was anderes. Bei Kern sagten Sie: 'Rot-Blau steht bevor!' Bei mir: 'Schwarz-Blau steht bevor!'" (Nina Weißensteiner, 28.9.2017)