Karl Markovics.

Foto: Sky/Max Brucker

Wien – Verbrechen, Sex, Armut, Politik und Opulenz sind die Ingredienzen, um das Berlin der 1920er-Jahre in eine Stadt der Kontraste zu verwandeln. Das kostet Geld. Knapp 40 Millionen Euro pumpen Sky und Koproduzent ARD in die Serie "Babylon Berlin" (16 Folgen), die ab 13. Oktober auf Sky und 2018 in der ARD zu sehen ist. Der österreichische Schauspieler Karl Markovics taucht darin vor historischer Kulisse als Journalist auf. Die von den Regisseuren Tom Tykwer, Henk Handloegten und Achim von Borries konzipierte Produktion basiert auf den Romanen von Volker Kutscher.

STANDARD: Sie spielen in "Babylon Berlin" einen Journalisten, dessen Figur als "Schnösel aus Österreich" eingeführt wird. Wie waren die Dreharbeiten für Sie als einzigen Österreicher in einem deutschen Ensemble?

Markovics: Ich bin der einzige Österreicher, der in einer durchgehenden Rolle dabei ist, und ich kann mich nicht erinnern, dass ich in den letzten sieben Jahren in Österreich gedreht hätte. Hauptsächlich war es in Deutschland, insofern war das ein ganz normaler Arbeitsablauf. In dem speziellen Fall war es aber etwas anderes, weil die Dimension eine größere ist. Es ist historisch, und es gibt drei Regisseure. Das war das Neue, Besondere an dieser Arbeit.

STANDARD: Eine Ehre, dass gerade Sie für diese Rolle rekrutiert wurden?

Markovics: Das kommentiere ich nicht. Die Figur selbst hat reale Ursprünge. Berlin war damals das europäische Zentrum für Kunst, Kultur, politische und wirtschaftliche Debatten. Was London und Paris heute sind, war Berlin damals zusammen, und da gab es sehr viele österreichische Literaten und auch Journalisten, die als Korrespondenten für diverse Zeitungen tätig waren – ob das Alfred Polgar war oder Joseph Roth. Meine Figur ist eine Anlehnung an diese Journalistenautoren mit ihrem ganz speziellen bohemian- und dandyartigen Flair. Auf das bezieht sich auch der Schnösel. Und ich spiele ihn, weil ich es kann (lacht).

Karl Markovics (Vordergrund) schnüffelt als Journalist, Volker Bruch (hinten) ermittelt: "Babylon Berlin" ab 13. Oktober auf Sky und im Herbst 2018 in der ARD.
Foto: Sky

STANDARD: Mit einem Budget von 40 Millionen Euro spielt "Babylon Berlin" für deutschsprachige Verhältnisse in einer eigenen Liga. Wie spielt es sich in so einer opulenten Inszenierung?

Markovics: Das Schöne ist, dass Sie es nicht als Apparat mitbekommen. Die meisten Szenen mit mir in den ersten Folgen wurden in der Pension mit der Untermietwohnung gedreht. Das spielen Sie wie in einem Kammerstück und mit einem normalen Filmset. Manchmal gibt es Außenszenen – etwa im Polizeipräsidium oder im Studio Babelsberg, wo Straßenszenen gedreht wurden. Das ist dann wie eine Zeitmaschine. Sie staunen wie ein kleines Kind über die vielen schönen, alten Autos und die vielen Komparsen. Das ist der spielerische Effekt.

STANDARD: An der Arbeit selbst gibt es keinen Unterschied?

Markovics: Nein, es wird sehr genau und konzentriert gearbeitet. Was sehr für die Vorbereitung und die Inszenierung der drei Regisseure spricht: Als Schauspieler stehen Sie immer im Mittelpunkt. Der riesige Apparat ist zwar da, er hilft in der Illusionierung, er ist aber nie erdrückend und übermächtig.

STANDARD: Und ist bei Ihnen dann beim fertigen Produkt der Wow-Effekt gekommen?

Markovics: Qualitativ habe ich in den letzten Jahren im Fernsehen nichts gesehen, das an das heranreicht. Schon gar kein historischer Stoff. Produktionen brauchen nicht immer viel Geld, aber wenn Sie diese Geschichte in dieser Zeit erzählen möchten, brauchen Sie es. Hier ist viel Geld da, und Sie sehen es auch. Der Anspruch war, in einer großen Dimension mit diesem neuen Miniserien-Genre über einen gewissen Zeitraum ein ganzes Panoptikum abzubilden – wie das etwa HBO mit diversen Geschichtensträngen und Persönlichkeiten macht. Ein Film kann das nie abdecken, weil die Zeit dafür nicht vorhanden ist.

Knapp 40 Millionen Euro schwer: "Babylon Berlin".
Foto: Sky

STANDARD: "Babylon Berlin" ist eine Koproduktion von Sky und ARD. Wäre das mit dem ORF machbar, oder ist das eine Nummer zu groß?

Markovics: Mit den Mitteln, die dem ORF zur Verfügung stehen, wäre es sicherlich schwierig, ein Projekt wie "Babylon Berlin" zu realisieren. Aber es muss ja nicht immer zwingend historisch und megateuer sein. In einer kleinen Dimension gab es ja bereits erfolgreiche Miniserien wie "Braunschlag". Rein technisch gesehen, vom künstlerischen Know-how, der Kreativität und den Darstellern gibt es eigentlich keinen Grund, warum das nicht auch bei uns möglich sei soll.

STANDARD: Oder scheitert es eher an der Barriere, die zwischen Free- und Pay-TV existiert und nur langsam bröckelt?

Markovics: Ja, das ist auch möglich.

STANDARD: Die Serie ist Ihre erste Produktion für Sky. Unterscheidet sich die Arbeit von jener für öffentlich-rechtliche Anstalten, für die Sie meist vor der Kamera stehen?

Markovics: Für mich als Darsteller überhaupt nicht. Es ist ja für Sky und ARD, und ich könnte es mir ja aussuchen, indem ich sage, dass ich eine ARD-Serie gedreht habe. Relevant sind für mich die Regisseure, Drehbücher und die Produktionsfirma, und da fahren Sie mit X-Film und Tom Tykwer sehr gut. Welcher Sender es bezahlt und kauft, fällt für mich nicht ins Gewicht. Es kommt niemand von Sky und sagt: Herr Markovics, spielen Sie den Charakter ein bisschen schnöselhafter. Oder: Sagen Sie, dass Sie ein Sky-Kunde sind.

STANDARD: Ist es Ihnen als Darsteller ein Anliegen, dass Sie nicht nur im Pay-TV zu sehen sind, weil die Reichweiten im Free-TV größere sind?

Markovics: Absolut. Im Nachhinein kann ich es schwer sagen, ob ich es auch gemacht hätte, oder ob es egal gewesen wäre, wenn es zum Beispiel von Anfang an nur fürs Pay-TV gemacht worden wäre. Was ich spannend fand: dass ein öffentlich-rechtlicher Sender mit einem Pay-TV-Sender kooperiert. Ausschlaggebend waren aber die Drehbücher, der Charakter – und dass mir drei Regisseure einen Brief schreiben und sagen, sie würden es sehr gerne haben, dass ich diesen Charakter spiele. In der Form habe ich das noch nie erlebt.

STANDARD: Eine Wertschätzung, die Sie nicht lange zögern hat lassen?

Markovics: Nachdem ich auch noch das Buch gelesen hatte, nicht. Nur aufgrund des Briefes hätte ich es nicht gemacht. Das schmeichelt einem, aber ausschlaggebend ist was anderes. Im Drehbuch musste ich nicht einmal bis zu meinem Charakter lesen, um zu wissen, dass ich dabei sein möchte. Ich komme ja erst am Ende der zweiten Folge vor, aber ich wusste schon vorher, dass das großartig geschrieben ist.

STANDARD: Wie sind Ihre Fernsehgewohnheiten? Sind Sie ein Serienjunkie?

Markovics: Gar nicht, mir fehlen Geduld und Zeit für Serien. Ich schaue überhaupt immer weniger fern.

STANDARD: Also kein Netflix-Abo?

Markovics: Nein, ich habe auch kein Sky-Abo und auch keines geschenkt bekommen (lacht).

STANDARD: Sie spielen einen Journalisten. Wie sind Ihre Erfahrungen mit österreichischem Journalismus?

Markovics: Persönlich habe ich ganz wenige schlechte Erfahrungen gemacht. Zum Glück lebe ich in einem Land, wo es diesen Privat-Beruf-Trennethos gibt. Privat wird kaum berichtet, außer jemand stellt es von sich aus in die Öffentlichkeit. Man läuft Leuten nicht ins Badezimmer nach, wie es in den USA üblich ist und teilweise auch in Deutschland passiert. In der Regel wird die Privatsphäre respektiert, das habe ich schon öfter erlebt. Das ist ein weiterer Grund, warum ich sehr gerne in diesem Land lebe. Im Zusammenhang mit der Figur in der Serie waren mir meine eigenen Lese-Erfahrungen mit den Autoren dieser Zeit wichtiger. Sie haben zum Großteil ihr Geld als Feuilletonisten, als Reporter und Journalisten verdient. Das hat mich immer schon rasend interessiert. So gesehen war ich sehr froh, so eine Rolle spielen zu dürfen, um das Interesse in so einer Kulisse gewissermaßen ausleben zu können.

STANDARD: Sie sind ja einer der Proponenten, die sich seit Jahren für den Verbleib von Ö1 im Funkhaus einsetzen. Das könnte jetzt tatsächlich passieren. Zufrieden?

Markovics: Zufrieden bin ich erst, wenn es wirklich gesichert ist, aber unsere Hoffnung ging von Anfang an in diese Richtung. Ich freue mich sehr, dass die Umstände vielleicht doch klüger sind als die Beteiligten. Ö1 ist europaweit eine Ausnahmeerscheinung, deswegen ist es so schützenswert. (Oliver Mark, 1.10.2017)

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