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Josef Hickersberger (69) war von 1988 bis 1990 und von 2006 bis 2008 ÖFB-Teamchef. Seine Bilanz: 15 Siege / 16 Remis / 25 Niederlagen.

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Herbert Prohaska (62) führte das ÖFB-Team von Jänner 1993 bis März 1999. Seine Bilanz: 25 Siege / 9 Unentschieden / 17 Niederlagen.

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Otto Baric (84) fungierte von April 1999 bis November 2001 als Österreichs Teamchef. Bilanz: 7 Siege / 6 Remis / 9 Niederlagen.

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Hans Krankl (64) war von Jänner 2002 bis September 2005 Teamchef. Bilanz: 10 Siege / 10 Unentschieden / 11 Niederlagen.

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Wie lautet Ihr Resümee zu der auslaufenden Ära von Teamchef Marcel Koller?

Josef Hickersberger: Zunächst gab es eine überragende EM-Qualifikation, dann leider eine enttäuschende EM und seither läuft es auch nicht wirklich befriedigend. Es ist schwierig und nicht fair, sich ein Urteil zu erlauben, wenn man zu weit weg ist von der Mannschaft. Wir haben hervorragende Spieler, daher ist auch die Enttäuschung in Frankreich groß gewesen. Und auch jetzt bei der WM-Quali hätte man mehr erwarten können. Man hatte natürlich in der EM-Quali das nötige Glück, das später gefehlt hat, aber die Leistungen waren konstant, wirklich hervorragend, wenn ich mich an das Spiel in Schweden erinnere. So gut habe ich eine österreichische Nationalmannschaft zuvor nie gesehen.

Herbert Prohaska: Grundsätzlich sehe ich Kollers Arbeit sehr positiv, weil es bis zum Beginn der EM ständig bergauf gegangen ist, mit einer großen Weiterentwicklung, mit einer sensationellen Qualifikation. Und dann hat es bei der EM mit der Niederlage gegen Ungarn einen Knacks gegeben. Warum auch immer, das kann ich aus der Entfernung schwer sagen. Wir haben vielleicht das eine oder andere Spiel in der EM-Quali glücklich gewonnen und dieses Glück hat uns dann in der WM-Quali gefehlt. Im Nachhinein sind wir aber alle gescheiter. Die genaue Analyse muss von denen kommen, die ganz nahe dran sind, von Koller, Ruttensteiner und den Spielern. Die Mannschaft hat nach wie vor sehr viel Potenzial, es muss kein Neuaufbau gemacht werden.

Otto Baric: Ich lebe mittlerweile in Kroatien, verfolge zwar die Spiele der österreichischen Nationalmannschaft – sie war in letzter Zeit solide und gut – aber ich bin nicht maximal informiert. Ich habe die Arbeit von Koller nicht so genau mitverfolgt, dass ich sie beurteilen könnte. Aber es ist im Trainergeschäft normal, dass man jemanden Neuen sucht, wenn die Zeit gekommen ist.

Hans Krankl: Am Anfang war alles sehr gut, sie haben eine sehr, sehr gute Quali gespielt. Bei der EM ist leider Gottes alles den Bach runter gegangen. Seitdem läuft es leider nicht sehr gut. Ich glaube, dass intern in der Mannschaft irgendetwas passiert ist, was man auch immer wieder von links, rechts und der Mitte hört, aber ich kann das nicht beurteilen, weil ich ja nicht dabei war, aber irgendetwas ist da sicher dran. Und die Geschichte um David Alaba, ob er im Mittelfeld spielen soll oder linker Verteidiger, hat sicherlich auch zu den Unstimmigkeiten beigetragen. Wenn sich der Teamchef einbildet, dass er im Mittelfeld spielen muss, so ist das sein gutes Recht. Er hat das zu entscheiden. Auch wenn wir alle wissen, dass Alaba bei den Bayern ein großartiger linker Verteidiger ist, sicherlich einer der besten in ganz Europa.

Wie sollte das Anforderungsprofil für den künftigen Teamchef aussehen?

Hickersberger: Ich bin bei der Erarbeitung eines Anforderungsprofils nicht gefragt. Da es anscheinend mit großer Arbeit verbunden ist, fehlt mir selbst als Pensionist etwas die Zeit dafür. Meiner Meinung nach sollte der Teamchef eine anerkannte und große Persönlichkeit im nationalen und internationalen Fußball sein.

Prohaska: Ich bin jetzt Fan von der Nationalmannschaft, ich erstelle kein Profil, das müssen die Leute machen, die auch dafür bezahlt werden. Ich habe mich schon einmal dazu hinreißen lassen, daraufhin haben die Medien alle geschrien, "hurra, jetzt haben wir einen, der voran geht und wir können uns alle anhängen. Und letztlich ist er schuld, wenn er sich irrt." Und daraufhin habe ich mich dann bei diversen Ehrungen bei Koller sieben bis achtmal entschuldigt. Ich mache das nicht mehr und muss mich auch bei niemandem mehr entschuldigen. Der ÖFB wird schon den Richtigen finden.

Baric: Punkt eins: ein Teamchef muss die Spieler sehr gut kennen. Punkt zwei: er muss schon Erfolge haben, damit er sich für diese Position qualifizieren kann. Und er muss ein cleverer Mann sein.

Krankl: Das Anforderungsprofil ist ja heute sehr modern, das überlasse ich dem ÖFB, dort sind so viele gescheite Leute und sie werden sicher wieder ein geeignetes erstellen. Mit allen Gescheitheiten und Blödheiten, die da vorkommen. Es gibt immer gute Sachen und immer wieder auch widersprüchliche, aber ich kenne diese Anforderungsprofile nicht, daher interessiert es mich auch nicht.

Präferieren Sie eine österreichische oder eine andere Lösung?

Hickersberger: Für mich sollte der nächste Teamchef ein Österreicher sein. Warum? Weil es an der Zeit ist. Wir haben jetzt eine Ära mit Koller gehabt, die gut war, aber ich bin überzeugt davon, dass es auch genug österreichische Trainer gibt, die genauso erfolgreich arbeiten können.

Prohaska: Das Wichtigste ist, dass er unsere Sprache spricht. Karel Brückner zum Beispiel hat mit Tschechien Riesenerfolge gefeiert, wurde uns als Deutschsprechender vorgestellt, konnte aber nur fünf Sätze sagen. Es gibt natürlich auch andere Beispiele wie Otto Rehhagel in Griechenland, aber das sind Ausnahmeerscheinungen.

Baric: Das ist ganz egal. Wichtig ist, dass er ein guter Mann ist.

Krankl: Ich war immer für die österreichischen Lösungen, auch vor Koller, weil sie immer die besten waren, und dabei bleibe ich. Ich glaube, dass ein Österreicher die Nationalmannschaft am besten aufstellen kann. Es gibt genügend österreichische Trainer, die das machen können, die Namen sind alle bekannt.

Wird die Macht eines Teamchefs generell etwas überschätzt, zumal er doch stark von dem zur Verfügung stehenden Spielermaterial abhängig ist?

Hickersberger: Jeder Trainer ist abhängig von der Qualität der Spieler, die ihm zur Verfügung stehen, das geht einem Klubtrainer nicht anders als einem Teamchef. Ich habe das Glück gehabt, bei zwei Turnieren Teamchef gewesen zu sein, bei der WM in Italien 1990 und bei der Heim-EM 2008, dennoch ist es mir nicht gelungen, größere Erfolge zu erreichen.

Prohaska: Wenn man so will, wird jeder Trainer auf der Welt über- oder unterschätzt. Das ist das Los des Trainers. Der Spieler kann zeigen, wie gut er ist, aber der Trainer wird nur an den Resultaten gemessen und zwar bei jedem Verein auf der Welt und in jeder Klasse. Jeder Verein pfeift auf den besten Trainer, wenn er seine Matches nicht gewinnt. Es gibt nur ganz wenige, die dann an dem Trainer festhalten, in den meisten Fällen wäre das aber besser.

Baric: Der Job des Teamchefs ist schwer, aber egal ob in Österreich oder Kroatien, viele glauben, dass die Mannschaft besser ist, als sie objektiv ist. Und ich glaube, dass dies das Hauptproblem in Österreich ist.

Krankl: Koller hatte das beste Spielermaterial in den letzten zehn bis 15 Jahren, er konnte aus dem Vollen schöpfen, wie kein Teamchef zuvor. Jeder versucht nach bestem Wissen und Gewissen mit den besten Spielern die beste Mannschaft zu formen. Aber man ist natürlich abhängig von den Spielern, die man holt.

Wie sehen und beurteilen Sie Ihre Zeit als Teamchef?

Hickersberger: Die Heim-EM ist etwas unglücklich für uns gelaufen, wir sind gegen Kroatien sehr früh in Rückstand geraten, haben dann eine hervorragende zweite Hälfte gespielt, aber das Tor nicht gemacht. Letztendlich waren wir personell vor allem in der Offensive nicht so stark besetzt, dass wir das Viertelfinale oder mehr erreichen hätten können. Ich sehe das völlig nüchtern und sachlich. Es tut mir leid, dass es nicht mehr geworden ist. Mannschaft und Trainerteam haben alles versucht, aber es hat nicht gereicht.

Prohaska: Meine Erinnerungen sind sehr, sehr schön, aber zu Beginn und am Schluss waren es harte Zeiten. Wenn du Nachfolger von Ernst Happel bist, ist klar, dass es nicht einfach wird. Der wichtigste Baustein damals war zweifelsohne Beppo Mauhart. Hätte es einen populistischen ÖFB-Präsidenten gegeben, wäre ich nicht mehr zur WM nach Frankreich gefahren. Er hat immer sehr viel von mir als Trainer gehalten und Gott sei Dank konnte ich ihm das zurückgeben. Der Schluss war natürlich ein Abtritt, den ich mir gern erspart hätte. Bei der Austria hat mir Frank Stronach das Trainergeschäft vermiest. Seitdem war ich nicht mehr Trainer und werde es auch nicht mehr sein.

Baric: Ich war zufrieden, aber wie in jedem Job, muss man Erfolg haben. Oft ist man als Teamchef davon abhängig, welche Mannschaften in der Gruppe sind. Als ich Teamchef war, hatte ich Erfolg, aber Spanien und die Türkei waren besser als wir. Ich habe gemacht, was möglich war. Aber natürlich wollen viele mehr und sie wollen nicht verstehen, dass es auch bessere Mannschaften als Österreich gibt.

Krankl: Ich hatte als Teamchef 31 Spiele in zwei Qualis, habe zehn Siege und zehn Unentschieden bei elf Niederlagen gegen übermächtige Gegner erreicht. Und diese Bilanz ist für einen österreichischen Teamchef sicherlich nicht schlecht. Ich habe das sehr gern gemacht, ich war sehr stolz, dass ich Teamchef in dem Land sein durfte, in dem ich aufgewachsen bin und als Fußballspieler gereift bin, sodass ich es bis zum FC Barcelona geschafft habe. Unter mir hat die Mannschaft bei jedem Spiel zu hundert Prozent alles gegeben. Leider war es nicht möglich, eine Quali für uns zu entscheiden. Ich war immer stolz auf diese Mannschaft, auch wenn wir verloren haben. Dann war eben der Gegner besser, hatte eine höhere Qualität als wir und das mussten wir akzeptieren. (Thomas Hirner, 29.7.2017)