Nicht alle Parteien nehmen die Bedürfnisse behinderter Menschen in ihre Programme auf.

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Rund ein Fünftel aller Österreicher ist von einer dauerhaften Beeinträchtigung betroffen. Dennoch finden die Anliegen behinderter Menschen kaum Beachtung in der Politik.

Rote Versprechen Der Plan A der SPÖ sieht eine Verdoppelung der zweckgebundenen Mittel des Bundes für Behindertenpolitik auf insgesamt 90 Millionen Euro vor. Arbeitnehmer soll der Bund künftig schon ab 50 Prozent Behinderungsgrad außerhalb des Stellenplans aufnehmen, um den Zugang zum Arbeitsmarkt zu verbessern. Zentrale Forderungen von Behindertenorganisationen wie die Schulinklusion und die Ausweitung persönlicher Assistenz werden klar befürwortet. Schließlich verspricht man noch die Stärkung von Kontrollinstanzen, die Ungleichbehandlungen aufzeigen, und man plädiert für härtere Konsequenzen bei Zuwiderhandeln.

Türkise Inhaltsleere Die ÖVP hat sich in Sachen Behindertenpolitik kaum bewegt, wie ein Blick in das Wahlprogramm der nun türkisen Schwarzen zeigt. Man hält unter dem Titel "differenziertes Schulsystem" weiter an der schulischen Segregation fest. Abgesehen von der Befürwortung persönliche Assistenz auch auf die Freizeit auszuweiten und bundesweit einheitlich zu regeln, findet sich nur die Forderung, das Taschengeld für Behinderte in geschützten Werkstätten zu erhöhen. Ansonsten begnügt man sich mit pathetischen Floskeln wie "Menschen mit Behinderung sind eine Bereicherung für die Gesellschaft, und wir setzen uns für ihre unteilbare Menschenwürde ein."

Pinke Philosophie Im neunseitigen Neos-Wahlmanifest sucht man vergeblich nach dezidierter Behindertenpolitik. Zumindest in puncto Bildung und Pflege lassen sich aber Rückschlüsse auf die Parteilinie ziehen. So versteht pinke Politik Schule als Ort "chancengerechter, gesellschaftlicher Durchmischung", der "die Flügel aller Kinder heben" solle. Beim Pflegegeld verlangen die Neos nach einer "Neuaufstellung des Pflegefonds".

Grüne Gründlichkeit Keine Partei hat sich derart eingehend mit dem Thema Behindertenpolitik befasst wie die Grünen. So fordern sie etwa einen Rechtsanspruch auf eine bundesweit einheitlich geregelte persönliche Assistenz, auch für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung. Die Schaffung eines Inklusionsfonds zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention soll das nebst anderen Leistungen finanzieren. Um den Zugang zum Arbeitsmarkt zu sichern, verlangen die Grünen nach einer Reform des Ausgleichstaxensystems. Und man pocht auf eine umfassende Schulinklusion von Kindern mit Behinderung.

Blaue Sonderschule Dem Thema Behindertenpolitik ist im blauen Wahlprogramm kein eigenes Kapitel gewidmet. Doch es findet sich bei näherem Hinsehen zumindest eine klare Aussage hinsichtlich Schulinklusion. Die FPÖ spricht sich demnach dezidiert für den Erhalt der Sonderschulen für Kinder mit erhöhtem Förderbedarf aus.

Expertenmeinung Volker Schönwiese vom Verein Selbstbestimmt Leben Österreich (SLIÖ) kritisiert, dass Behindertenpolitik in den Wahlprogrammen nach wie vor unterrepräsentiert ist: "Es wird nicht verstanden, dass das Thema eine große Mehrheit der Menschen im Laufe ihres Lebens betrifft."

SLIÖ hat daher allen Parteien einen Fragenkatalog mit Anliegen behinderter Menschen zugesandt. Die Antworten sind auf der Homepage des Vereins nachzulesen. Das hat SLIÖ auch 2013 gemacht. Auffallend, so Schönwiese, sei, dass sich fast alle inhaltlich bewegt hätten: "Es ist ein formulierter grundsätzlicher Wille spürbar." So finde die Forderung nach einem eigenen Staatssekretariat mittlerweile breite Zustimmung in allen Parteien. Wichtig seien aber auch klarere rechtliche Bestimmungen gegen Diskriminierung mitsamt echten Konsequenzen. Hier müsse stärker reglementiert werden. Denn, so ist Schönwiese überzeugt: "Was jetzt nicht versprochen wird, wird es auch nach der Wahl nicht geben." (Steffen Arora, 28.9.2017)