Unternehmen wie Uber und Foodora, aber auch Plattformen wie Clickworker bringen neue Geschäftsmodelle des Arbeitens auf den Markt: Flexibilität und Selbstständigkeit werden betont. Wie passen da Instrumente der "alten Welt" wie Kollektivverträge und Betriebsräte?

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Elite Taxi, eine junge und ziemlich radikale Taxi-Gewerkschaft aus Barcelona, klagte gegen Uber. Der Fall liegt nun beim EuGH. In dieser Doku erfährt man mehr über die Lage in Spanien.

Doku King

Karin Zimmermann (ÖGB), Thomas Moldaschl (Vida), Martin Risak (Uni Wien) und Matthias Balla (Arbeiterkammer) über Zukunftsstrategien für gewerkschaftliche Arbeit in Zeiten von Uber und Co.

AKoesterreich

Etwa zwei Millionen Fahrer an weltweit über 500 Standorten und von der OECD unlängst mit 51 Milliarden US-Dollar bewertet: Eigentlich ist Uber das weltweit größte Taxiunternehmen. Dieses "eigentlich" macht den Erfolg des US-Unternehmens aber erst aus, denn die Eigenansicht ist eine andere. Uber beschreibt sich als Informationsdienstleistung, man stelle den Fahrerinnen und Fahrern nur die technische Infrastruktur zur Verfügung, für den Rest sind sie selbst verantwortlich, und – ein beliebter Zusatz des Unternehmens – das wünschen sich die Fahrer auch so.

Wie es beim Foodora-Betriebsrat läuft

Für Arbeitnehmervertretungen ist dieses eine Wort – eigentlich – ein zentrales. "Das wirtschaftliche Risiko wird so weit wie möglich auf die Beschäftigten ausgelagert", sagt dazu Thomas Moldaschl, der bei der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft Vida das Referat Wirtschaft leitet. Der Arbeitsauftrag sei klar: "Dinge, die wir schon vor Jahrzehnten erreicht haben, wollen wir jetzt für diese Beschäftigten wieder schaffen."

Der Gewerkschafter spricht dabei aus Erfahrung: Vor wenigen Monaten konnte mit Unterstützung der Vida bei den Fahrradboten von Foodora ein Betriebsrat gegründet werden. Seither sei das Verhältnis zum Management schwieriger. Das Weihnachts- und Urlaubsgeld, das Fahrerinnen und Fahrer vor Gründung des Betriebsrates noch bekamen, gibt es mittlerweile nicht mehr. "Die Beschäftigten fallen um etwas um, was für die meisten in Österreich eine Selbstverständlichkeit ist. Und da fangen wir wirklich in gewisser Weise mit gewerkschaftlichem Arbeitskampf bei null an."

Wie zeitgemäß ist dieser Kampf noch in Zeiten von Arbeit via App und Beschäftigten, die dadurch viel schwerer erreicht werden können und die sich dadurch auch in der Vernetzung untereinander schwertun?

Alte Kämpfe in neuem Gewand

Der Tenor bei der Diskussion dieser Fragen mit Arbeitsrechtsexperten und Gewerkschaftern: Diese Entwicklungen sind großteils gar keine Frage der neuen Technologie. Die Frage sei vielmehr, wie die Unternehmen der sogenannten Plattformökonomie mit ihren Beschäftigten umgehen. "Das hat nichts mit Apps und Smartphones zu tun, sondern ist in den betroffenen Branchen schon lange zu beobachten", sagt Moldaschl.

Allerdings: Bei vielen Menschen haben sich die Bedürfnisse verändert. Auf viele wirke das Argument "Arbeite, wann du willst" stark. Oft stelle sich aber heraus, dass die Flexibilität so groß nicht ist. "Wer nur selten fährt, riskiert, dass er oder sie keine Aufträge mehr bekommt", sagt Moldaschl.

Das bestätigen auch Arbeitsrechtsexperten. "An sich behauptet Uber, dass es nur ein Vermittlungsunternehmen sei", sagt Matthias Balla von der Arbeiterkammer. Das sei es auch, aber eben mit einer Vielzahl an Vereinbarungen, die Fahrer eingehen müssen: dass die Uber-App genutzt wird; dass die vorgeschlagenen Routen genommen werden; dass das Preismodell von Uber akzeptiert wird; dass kein Entgelt selbstständig eingehoben wird; dass Uber das Geld elektronisch einheben darf. Die einzige Möglichkeit, wirklich selbstständig zu agieren, bestehe darin, Aufträge abzulehnen. Aber auch das bleibe nicht sanktionslos. "Eigentlich ist man stärker abhängig als jeder Angestellte in Österreich."

Was Gewerkschaften tun

Der ÖGB reagiert unter anderem mit einer Kooperation mit der deutschen IG Metall und den schwedischen Unionen: Auf der Plattform faircrowd.work können allgemeine Geschäftsmodelle, Bezahlung und andere Rahmenbedingungen verschiedener Plattformen verglichen und bewertet werden. "Dass wir uns international vernetzen und die Fühler ausstrecken, ist etwas, das Gewerkschaftsarbeit auszeichnet", sagt dazu Karin Zimmermann vom ÖGB. Auf nationaler Ebene nennt sie ein gemeinsames Papier von Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer, in dem gleiche Rahmenbedingungen für die Online- und die Offlinewelt gefordert werden.

Es sei mittlerweile aber durchaus eine Herausforderung, den Menschen bewusstzumachen, dass es gewerkschaftliche Angebote gibt, sagt Moldaschl. "Deswegen erwähne ich das Beispiel Foodora. Es ist wichtig, dass Menschen sehen, was Gewerkschaften mit vorhandenen Instrumentarien machen können." Manchmal sei das sehr simpel, etwa einen Raum zum gegenseitigen Austausch zur Verfügung zu stellen.

Regulierungsbedarf ist gegeben

Vielleicht sollten sich Gewerkschaften auch etwas von Uber und Co abschauen: "Indem man auch Plattformen bildet und versucht – vielleicht mit staatlicher Förderung -, es auf gesetzlicher Ebene zu verankern und den Raum zurückzuerobern, der zugunsten der Arbeitgeber genutzt wird", sagt Balla.

Martin Risak, Professor am Institut für Arbeits- und Sozialrecht, beobachtet Lösungswege – auch im europäischen Raum. Ein internationales Beispiel für optimalen Umgang mit den neuen Playern gebe es noch nicht. "Wir müssen Verantwortlichkeiten zuordnen. Hier gibt es Regulierungsbedarf, unabhängig davon, ob Arbeitsverhältnisse bestehen oder nicht." Die Geschäftsmodelle der Gig-Economy seien ja sehr heterogen, Uber ist nur ein Beispiel. Trotz Parallelen – etwa zu Heimarbeitern – bezweifelt Risak, dass bestehendes Recht ausreicht, um die neuen Realitäten zu erfassen. Das sei ja auch die Tradition von Gewerkschaften. "Die haben sich im gesetzesfreien Raum bewegt und waren Vorreiter. Der Urlaub zum Beispiel oder die Arbeitszeitverkürzung – das sind Dinge, die aus der gewerkschaftlichen Dynamik des Arbeitskampfes gekommen sind und die danach verrechtlicht wurden, um das Verhältnis zu befrieden."

Drei Zukunftsstrategien

Der Arbeitsrechtsexperte schlägt vor, auf drei Ebenen anzusetzen: Zunächst die Überlegung, ob der Begriff der Arbeitnehmer überhaupt noch zeitgemäß ist oder es eine Erweiterung braucht, die die Plattformarbeitenden einschließt. "Die zweite Möglichkeit wäre, dass man eine Kategorie, die es schon gibt – nämlich die arbeitnehmerähnliche Person – ausweitet." Und die dritte Ebene wäre eine recht individuelle für die Plattformarbeit selbst: Ein Crowdwork-Gesetz, das auf die spezifischen Problemlagen reagiert. (Lara Hagen, 1.10.2017)