Nicht nur schön anzuschauen, sondern vor allem auch gesund: Wälder und Berge tun Körper und Geist gut, wie Studien gezeigt haben.

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Wien/Salzburg – Der urbane Mensch verbringt die meiste Zeit seines Lebens in geschlossenen Räumen – und das häufig sitzend: im Auto, in der U-Bahn, im Bus, im Büro, in Restaurants oder zu Hause. Das ist der körperlichen Aktivität wenig förderlich. Forscher haben errechnet, dass etwa 60 Prozent der Weltbevölkerung von Bewegungsarmut betroffen sind. Das heißt, fast zwei Drittel der Menschen schaffen es nicht, die Empfehlung von 30 Minuten moderatem körperlichem Training pro Tag umzusetzen.

Das Paradoxe daran: "Der Mensch ist grundsätzlich biophil", wie Arnulf Hartl, Leiter des Instituts für Ecomedicine der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Salzburg betont. "Es gibt ein angeborenes Bedürfnis, in Kontakt mit der Natur zu leben." Demnach ist der Mensch darauf "programmiert", die Nähe von Wäldern, Wiesen und Bergen zu suchen.

So konnten US-Forscher in einer Studie zeigen, dass Büroangestellte weniger psychische Belastungssymptome und -probleme aufweisen, wenn sie in einem grünen Umfeld tätig sind. Für einen messbaren Effekt genügte bereits der Blick auf eine Zimmerpflanze oder einen Park. Der Grund dafür: Das menschliche Gehirn kann natürliche Umgebungen besser verarbeiten als anthropogen überformte Räume.

Zehn Minuten im Wald

"Unser Lebensstil führt zu einer Entfremdung von der Natur", sagt die Umweltmedizinerin Daniela Haluza von der Med-Uni Wien. Statt Sport in natürlichen Landschaften bevorzugen viele bewegungswillige Städter den Weg ins nächste Fitnesscenter, um dort ihren Körper in die gewünschte Form zu bringen. Rund 740.000 Menschen zahlen in Österreich für ihre Mitgliedschaft. Ob und wie regelmäßig sie das Angebot nutzen, dazu gibt es keine konkreten Zahlen.

Körperliche Aktivitäten in der Natur, auch Green Exercise genannt, sind dem maßgeschneiderten Indoorfitnessplan aber in mehrfacher Hinsicht überlegen. Diesen Schluss legen zumindest die klinischen Studien von Arnulf Hartl nahe. In mehreren randomisiert-kontrollierten Untersuchungen konnte er zeigen, dass das Gehen oder Laufen in natürlichen Landschaften signifikant stärkere positive Effekte auf die physische Gesundheit hat als Bewegung in der Stadt bzw. in geschlossenen Räumen. Auch schützen Berg, Wald und Wiesen effektiver vor psychischen Erkrankungen, wirken stimmungsaufhellend und senken die mentale Erschöpfung.

"Bereits ein zehnminütiger Aufenthalt im Wald ist gesundheitsfördernd", sagt auch Daniela Haluza. Gemeinsam mit Forschern der Boku Wien hat sie 180 wissenschaftliche Arbeiten zur Wirkung von Waldlandschaften auf Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität gesichtet. Das Fazit des Berichts: Wer regelmäßig Zeit im Wald verbringt, senkt Puls, Blutdruck und Muskelspannungen. Die Organe werden stärker mit Sauerstoff versorgt, die Durchblutung der Lunge funktioniert besser, vom Stresshormon Cortisol wird weniger, von den Stimmungshormonen Serotonin und Dopamin mehr ausgeschüttet.

Weniger anstrengend

Zudem bietet die Natur – im Gegensatz zum klimatisierten Fitnessstudio – thermische Wechselreize und ein dreidimensionales Terrain, wodurch der Körper zusätzlich physiologisch stimuliert wird. Sport im Freien bietet ein "ideales und kostenloses Ganzkörpertraining", so die Umweltmedizinerin. Allergikern empfiehlt Hartl das körperliche Training in höheren Lagen. Denn die Luft in den Bergen ist frei von Feinstaub und Allergenen.

Ein weiteres Argument für das naturgegebene Grün: "Der Mensch nimmt körperliche Aktivitäten unter freiem Himmel im Vergleich zum Fitnesscenter als weniger anstrengend wahr", sagt der Experte. Natur motiviert und aktiviert sozusagen. "Das hat auch damit zu tun, dass ich bei Wanderungen oder Spaziergängen üblicherweise ein Ziel habe", ergänzt Daniela Haluza. Auf dem Laufband gibt es einen solchen Endpunkt nicht, hier tritt der Sportler immer auf der Stelle. (Günther Brandstetter, 30.9.2017)