Knapp zwei Wochen sind es noch bis zur Nationalratswahl, und schon einmal hat es das Thema Frauenpolitik prominent in die ORF-Konfrontationsrunde geschafft. Immerhin. Das war primär das Verdienst der Moderatorin, die der grünen Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek und ihrem ÖVP-Kontrahenten Sebastian Kurz gezielte Fragen stellte.

Frauenpolitik im Wahlkampf: Wie einst in den revolutionsbewegten 1960er-Jahren sind Fragen des Feminismus und der Gleichberechtigung bis dato eher ein "Nebenwiderspruch" als ein Hauptthema. Und das trotz teils ambitionierter Wahlprogramme – aber Papier ist bekanntlich geduldig.

Frauen bewegt, wie übrigens auch Männer, zunächst einmal, was ihre Lebens- und Alltagsrealität anspricht: Job, Wohnen, Fragen des Einkommens und der Steuern, Kinderbetreuung, Bildungsfragen. Insofern sind Mindestlohn und Frauenpensionen, die SPÖ-Spitzenkandidat Christian Kern gern und oft anspricht, oder "Familie" und Steuerbonus pro Kind, wie sie Kurz propagiert, in gewisser Weise "Frauenthemen".

Andererseits begeben sich beide Parteien hier auf recht gefährliches Terrain: Sie wären lange genug in der Regierung gewesen, um aus der theoretischen Gleichberechtigung eine faktische Gleichstellung zu machen. Wie es tatsächlich aussieht, hat Profil kürzlich mit einem Anruf beim Weltwirtschaftsforum geklärt: Wenn alles so weitergeht wie bisher, erreicht Österreich die finanzielle Gleichstellung der Geschlechter erst in 169 Jahren.

Armutsgefährdete Alleinerzieherinnen

Dazu kommt noch die Tatsache, dass nur knapp 77 Prozent der Frauen im "gebärfähigen Alter" arbeiten, dass fast die Hälfte aller Frauen Teilzeitjobs haben, dass vor allem Alleinerzieherinnen stark armutsgefährdet sind. Sollten die Nochkoalitionspartner tatsächlich, wie just von Peter Pilz bei der Puls-4-Elefantenrunde angeregt, die Unterhaltsbevorschussung neu regeln, sodass Mütter unterhaltspflichtigen, aber -unwilligen Vätern nicht mehr hinterherrennen müssen, wäre das ein erster, wichtiger Schritt. Aber mit Frauenpolitik hätte das trotzdem noch lange nichts zu tun.

All die erwähnten Themen könnte man auch als gesamtgesellschaftliches, volkswirtschaftliches Problem sehen – nicht als "Frauenthemen", über die dann in TV-Debatten maximal am Rande kurz diskutiert wird.

Schon gar keine Zeit bleibt meist für fortgeschrittenen Feminismus: etwa die spannenden Fragen, wie Mädchen von Beginn an mehr für Technik und Naturwissenschaften zu begeistern sind – oder wie Frauen in Führungsjobs vordringen, mehr von Forschungsförderung profitieren, Uniprofessorinnen werden oder gar alle Ebenen der Politik durchdringen können. Nur zur Erinnerung: 93 Prozent aller Bürgermeister sind männlich.

Man könnte auch über ein Thema reden, das die Sozialforschung schon länger beschäftigt: warum Frauen noch immer bereitwillig tradierte soziale Rollen annehmen und traditionelle Geschlechterrollen gerade ein Comeback feiern.

Das alles passiert gerade nicht. Das liegt auch an den Wahlkampfteams, die zumeist männlich dominiert sind und eine männliche Sichtweise auf drängende politische Fragen einbringen. Es liegt aber auch an den Fragen, die den Spitzenkandidaten nicht gestellt werden.

Vielleicht wäre das einmal ein Ansatz. (Petra Stuiber, 29.9.2017)