Auf dem Rohbau das Transparent mit dem neuen Cityjet. Davor: Landesrat Rauch, zufrieden.

Foto: Inga Kjer

Berlin/Bregenz – Fröhliche Mienen sind bei Bahntechnik-Managern in Zeiten harter Marktkämpfe selten. Bei Bombardier Transportation in Hennigsdorf bei Berlin war vergangenen Freitag aber gute Laune angesagt. Die Kanadier starteten die Produktion des neuen "ÖBB Cityjet Talent 3" mit Besuch aus Österreich.

Die Fusion der größten Konkurrenten im Zugbau, Siemens und Alstom, wenige Tage zuvor und die Auseinandersetzungen um das Ausschreibungsverfahren der ÖBB mit den Konkurrenten Siemens und Stadler im Hinterkopf, informierte Bombadier die Delegation aus ÖBB, Vorarlberger Landesregierung und Medienleuten über den Projektstand.

Vorstandsvorsitzender Michael Fohrer präsentierte im Werk Hennigsdorf gemeinsam mit Evelyn Palla, Vorstand ÖBB-Personenverkehrs AG, und dem Vorarlberger Mobilitätslandesrat Johannes Rauch (Grüne) den neuen ÖBB Cityjet Talent 3, einen Nahverkehrszug der alle Bedürfnisse anspruchsvoller Öffi-Nutzer decken soll. Vor allem jener, die für ihre täglichen Wege Bahn und Fahrrad nutzen. Die spezielle Ausstattung für Räder, Kinderwagen und Rollstühle war ein Wunsch Vorarlbergs.

Zug im Rohbau

Noch ist der Talent 3 im Stadium eines ersten Wagenkastens, der in Česká Lípa, dem Standort der Kanadier in Tschechien, gefertigt wurde. Der Zug befindet sich quasi noch im Rohbau, bekommt in Hennigsdorf Innenausstattung und technisches Equipment und sein rot-weißes Outfit. Ab April, spätestens Mai 2019 soll er auf Vorarlberger Schienen fahren.

Mit 104 Metern wird Talent 3 der längste Nahverkehrszug im ÖBB-Netz sein und der erste mit wechselnder Sommer- und Winterausstattung. 300 Fahrgäste sollen bequem Platz haben und sichere Abstellmöglichkeiten für 42 Fahrräder vorfinden. Im Winter lassen sich Fahrradhalter zu Skiständern umbauen. Barrierefrei ist der Zug nicht nur beim Einstieg, er bietet ausreichend Platz für Rollstühle, auch in den Toiletten. Wlan und ein Infosystem in Echtzeit sind weitere Innovationen.

Rasche Lieferung

Kosten wird das Paket aus 21 Garnituren 150 Millionen Euro. Es ist die erste Tranche, die von der ÖBB aus der Rahmenvereinbarung, die 300 Züge für ganz Österreich umfasst, abgerufen wird. "Den besten Zug zum besten Preis" wollte Evelyn Palla und das auch noch rasch. Die Lieferfrist ist knapp. Deshalb schaute die Chefin auch selbst bei Bombardier vorbei und appellierte, den Liefertermin ja einzuhalten. Die ÖBB möchte sich keine Blöße geben, schließlich erwartet Vorarlberg 2019 zur "Weltgymnaestrada" rund 25.000 Gäste, die transportiert werden müssen.

Der Talent 3 ist für die ÖBB nicht nur wichtig, um zu beweisen, dass man die richtige Lieferantenauswahl getroffen hat – Siemens und Stadler hatten bekanntlich die Vergabe beeinsprucht. Mit dem neuen Cityjet will die ÖBB auch zeigen, wie europäisch sie denkt. Man will über die Landesgrenzen fahren. Durch die innovative technische Ausstattung als Mehrsystemzug sollen benachbarte Schienennetze benutzt werden können.

"Ein Zug für Europa" entstehe, sagt Klaus Garstenauer, Leiter ÖBB Nah- und Regionalverkehr. Der Talent 3 sei, was besonders für Vorarlberg wichtig ist, "schweiztauglich". Durch die Ausstattung der Elektrotriebzüge als Mehrsystemzüge wird man das Schweizer Schienennetz, aber auch das italienische befahren können. Die Schweiz hat ein anderes Zugsicherungssystem, in Italien fährt man mit Gleichstrom.

Transparente Rechnung

Innovativ sei nicht nur der Zug, sagt Grünen-Politiker Johannes Rauch. Vorarlberg sehe sich als Role Model bei Verhandlungen mit der ÖBB. Man habe 2016 eine Neuausschreibung des Projekts angeregt, "weil wir mit spitzem Stift rechnen" und sich für die Leistungsvereinbarung die Kalkulation der ÖBB Posten für Posten offen legen lassen.

Nun verhandle man einen All-Inclusive-Vertrag, "das ist ein Novum". Die konkrete Höhe der Kosten soll in den nächsten Wochen feststehen. Auch bei der Dienstleistung hat Vorarlberg eigene Vorstellungen: Funktionierende Kartenautomaten, Personenkassen, Kontrollpersonal in den Zügen.

Ein Drittel der jährlichen Bahnkosten bezahlt das Land, zwei Drittel übernimmt der Bund. In Vorarlberg sind täglich 210 Züge unterwegs, die Bahnkilometer verdoppelten sich in 20 Jahren auf 3,1 Millionen pro Jahr. (Jutta Berger, 30.9.2017)