1. Ö1-Aufschrei

Was möchte man diese Woche nicht alles nicht sein. SPÖ-Vorsitzender zum Beispiel. Chefredakteur des ORF-Fernsehens oder auch Generaldirektor des ORF. Oder auch Mitarbeiter des ORF-Kundendiensts an diesem Montag, wenn der eine Hörer oder die andere Hörerin von Ö1 ihren Sender akustisch nicht gleich wiedererkennen. Selbst der (nun aber wirklich) Ö1-Senderchef Peter Klein rechnete mit einem "Aufschrei".

Seit Sonntag hat der Kultursender mit dem traditionsreichen Publikum neue Signations von Christian Muthspiel, Hörproben hier, Montag ist der erste reguläre Sendetag. Man darf, sagen wir es neutral, mit viel Feedback beim ORF-Kundendienst rechnen. Wird spannend, ob Ö1 neu da den Start von "Daheim in Österreich" (462 Reaktionen) im vergangenen August toppt – und wie das Feedback ausfällt. Senderchef Klein rechnete mit einem "kleinen" und "leisen" "Aufschrei", zumal Muthspiels Signations so überzeugend sind.

Neue Signations von Christian Muthspiel: Ö1, hier ein Studio mit (noch relativ) neuem Senderlogo.
Foto: APA/Georg Hochmuth

2. Doch kein Aufschrei* in Österreichs größtem Verlagskonzern

Einen mehr oder minder kleinen Aufschrei erwartete beileibe nicht nur ich am Montag auch im Gesellschafterausschuss der Mediaprint, Österreichs größtem Verlagskonzern. Je zwei Mandate haben dort die Gesellschafter von "Krone" und "Kurier", also Familie Dichand, deutsche Funke-Gruppe und Raiffeisen. Am Montag ist erstmals Kurt Stiassny dabei, den die Dichands, offenbar abgestimmt mit der Funke-Gruppe, dorthin entsandt haben. Stiassny ist zugleich Vorstandsmitglied der Pluto Privatstiftung von "Heute"-Herausgeberin Eva Dichand. Die Pluto hält noch 24,4 Prozent am Verlag der Gratiszeitung.

Raiffeisenvertreter – das wissen Wochenschau-Leser schon – sollen diese beiden Funktionen als unvereinbar sehen. Kolportierte Argumentation: In Deutschland stünden bei solchen Mehrfachfunktionen bei konkurrierenden Unternehmen wie "Krone" und "Heute" potenziell Exekutivorgane für Wirtschaft und Wettbewerb vor der Türe. Stiassny hat auf Anfrage schon Freitag vor einer Woche erklärt, die Funktionen wären vereinbar – der Gesellschafterausschuss sei kein formales Organ der Mediaprint, und die Pluto habe nur eine Minderheits- und Finanzbeteiligung an "Heute". Bis letzten Freitag änderte sich nach meinen Informationen nichts an Stiassnys Funktionen.

*Update: Aber: Der Montag verlief unter den Gesellschaftern der Mediaprint "harmonisch", so höre ich nun von Menschen, die es wissen sollten. Stiassny habe nachvollziehbar dargestellt, dass es da keine inhaltlichen Querverbindungen gebe. Das immerhin deckt sich mit Stiassnys Darstellung in dieser und der vorigen Wochenschau.

Was zum Stimmungsumschwung führte, werden wir vielleicht auch noch herausbekommen. Wie womöglich auch die Reaktionen auf Ö1 neu.

3. Aufschrei der Wettbewerbsbehörden

Diese Woche will ProSiebenSat1Puls4 ein – so vermutet man dort – Missverständnis aufklären. Das wäre ein gemeinsames Missverständnis von Bundeswettbewerbsbehörde, Bundeskartellanwalt und Medienbehörde KommAustria. Die haben Österreichs größten privaten Fernsehkonzern gewarnt, dass ihre Pläne für eine gemeinsame Sendung zur Nationalratswahl ihre Auflagen für die Übernahme von ATV aus dem Frühjahr 2017 verletzen. Und diese Auflagen (und ihre Einhaltung für rund fünfeinhalb Jahre) waren Bedingung für den Kauf von ATV durch ProSiebenSat1Puls4.

ATV – meine Wahl: Screenshot der Sender-Illustration für die sogenannte Elefantenrunde am Sonntag.
Foto: ATV.at Screenshot

Wochenlang haben Käufer und Behörden über die – fünfeinhalb Seiten umfassenden – Auflagen für den Zusammenschluss verhandelt, mit dem erklärten Ziel, Meinungsvielfalt und Medienvielfalt trotz der schon damals erreichten Größe des TV-Konzerns zu erhalten. Und schon ein halbes Jahr später sollten – gegen diese Auflagen – die Redaktionen der beiden Sender bei einer gemeinsamen Wahlsendung zusammenarbeiten. Die Behörden sollen darin einen eindeutigen Verstoß gegen die Auflagen sehen. Das klingt nicht nach einem Missverständnis.

Aber vielleicht hat Wolfgang Nothelfer ja aus der Sicht von ProSiebenSat1Puls4 bei der Wahlsendung etwas missverstanden. Der Diplomvolkswirt und Jurist überwacht als "Treuhänder" die Einhaltung der Auflagen für den ATV-Deal. Nicht jedem Gesprächspartner bei der TV-Gruppe ist er durch Kenntnis der Fernsehbranche aufgefallen sein, aber vielleicht ist der Befund auch nur eine Einzelmeinung.

4. News-Hoffnungsjahr 2017

Ein Prognoseformat sollte nach vorne schauen. Deshalb wählt die Etat-Wochenschau folgende Route Richtung Verlagsgruppe News: 2017 soll Österreichs marktbeherrschende Magazingruppe wieder positiv abschließen. Jedenfalls deuteten die dem Vernehmen nach positiven Daten von Jänner bis Ende August darauf hin – und danach beginnen üblicherweise die werbestärkeren Monate des Jahres, von den intensiven Wochen vor der Nationalratswahl nicht zu reden.

Der Jahresabschluss der News-Gruppe für 2016 ist seit wenigen Tagen beim Handelsgericht Wien deponiert. Minus 9,1 Millionen Ergebnis vor Steuern nach minus 9,9 Millionen Euro 2015. 2016 war das Jahr, als News-CEO Horst Pirker zur Jahresmitte die Mehrheit der Verlagsgruppe vom deutschen Magazinriesen Gruner+Jahr übernommen hat und ab Herbst ein großes (und zunächst etwa wegen Abfertigungen teures) Sparpaket mit grob 100 Jobs und 10 Millionen Euro Kosten weniger umsetzte. Rund fünf Millionen soll der operative Verlust 2016 betragen haben, höre ich aus der Taborstraße. Und, siehe oben, 2017 sei wieder positiv. Das wird vielleicht auch die Minderheitsgesellschafter – Familie Fellner und Kurier-Gruppe – freuen.

5. Österreichs größte Medienhäuser – Update

Wo ich schon beim Aktualisieren der STANDARD-Übersicht von Österreichs größten Medienhäusern bin: Die Styria Media Group, Österreichs zweitgrößter Verlagskonzern nach der Mediaprint mit "Kleine Zeitung" und "Die Presse", hat seinen Jahresabschluss für 2016 schon im August deponiert. Ergebnis vor Steuern laut Konzernabschluss: 1,4 Millionen Euro nach 5,6 Millionen Euro 2015.

Die "Kleine Zeitung", traditionell der wirtschaftliche Muskel der Styria, schrieb 2016 ein Ergebnis von 11,3 Millionen Euro (nach rund 12,9 im Jahr zuvor). Das Landeshauptblatt von Kärnten und der Steiermark setzte 2016 119,7 Millionen Euro um, 2015 waren es 121,1.

Der Gesamtkonzern Styria kam 2016 auf einen Umsatz von 313,7 Millionen Euro nach 319,1 Millionen im Jahr davor.

6. Zur Wahl

Bevor ich Sie mit dieser potenziell aufregenden Woche alleine lasse (ich widme mich die nächsten Tage erst einmal anderen aufregenden Entwicklungen), noch einmal zurück zum Anfang der Wochenschau, Nationalratswahl und so.

Über erwünschte und unerwünschte Wirkungen der Wahl auf Österreichs Medienbranche wird noch das eine oder andere zu schreiben sein. Aber eines vorweg: Ich würde mich wundern, wenn nicht 2018 ein Herausgeber einer österreichischen Tageszeitung in die ORF-Führung wechseln würde.

Aber: Diese Erwartung steht auf keinem fundierten aktuellen Wissen. Zweites Aber: Ich wundere mich oft über diese österreichische Medienlandschaft. Könnte auch diesmal passieren.

Eine kleine Übersicht möglicher Namen für den ORF, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, finden Sie hier.

Ihnen (und mir) noch eine spannende Woche! (Harald Fidler, 2.10.2017)