Büros, Wohnungen, Geschäfte und ein Fünf-Sterne-Hotel: In Dalian plante Wolfgang Reicht ein ganzes neues Stadtviertel. In Bau ist es noch nicht.

Visualisierung: Wolf Reicht Architects

Mit seinem Entwurf für ein Urban Planning Museum in Changxing belegte Wolfgang Reicht den ersten Platz in einem geladenen Wettbewerb.

Visualisierung: Wolf Reicht Architects

Reicht: "Ich bin dafür, dass wir Österreicher einmal eine Gemeinschaftsausstellung in China machen sollten."

Foto: Putschögl

Der österreichische Architekt Wolfgang Reicht ist seit einigen Jahren vermehrt in China aktiv – und hat gelernt, sich dort mit relativ spontanen Ideen zu arrangieren.

STANDARD: In Österreich sind Sie eher der Hotelexperte, mit aktuell zwei Projekten in Baden und Hallstatt. In China haben Sie nun in Dalian, einer Millionenstadt an der Nordostküste, Büro- und Gewerbeprojekte umgesetzt sowie auch Sonderobjekte. Wie kam es dazu?

Reicht: Ich war früher bei Coop Himmelb(l)au und war dort für den asiatischen Raum tätig. Wir machten bei einem Wettbewerb für ein Konferenzzentrum mit, haben diesen gewonnen, und so ergaben sich gute Kontakte dorthin.

STANDARD: Mit Ihrem eigenen Büro arbeiten Sie nun gerade an riesigen Wohntürmen in Dalian. Wie weit ist das Projekt?

Reicht: Die sind gerade on hold, da gibt's ein bisschen Probleme mit der Finanzierung. Aber wir sind im Rennen. Ganz aktuell haben wir in Dalian auch den Wettbewerb für ein Sportzentrum mit 10.000 Quadratmeter gewonnen. Da warten wir jetzt auf den Startschuss.

STANDARD: Wer sind die Auftraggeber für die Wohntürme?

Reicht: Das sind chinesische Investoren, konkret eine der führenden Maschinenbaufirmen Chinas, auch international ein großer Player. Für die hatten wir Showrooms geplant. Über diesen Auftrag sind wir dann zur Projektentwicklung sozusagen hausintern weitergereicht worden.

STANDARD: Die ersten Aufträge kamen also von der öffentlichen Hand, und dann erst die privaten Auftraggeber?

Reicht: Ja, das waren anfangs zwei geladene Wettbewerbe der Stadt Dalian, die wir gewonnen haben. Große Sportzentren gibt es in jeder chinesischen Stadt, das wird dort groß gefördert. Es ist kein Wunder, dass die so erfolgreich sind bei Olympischen Spielen. In der gleichen Stadt, also Dalian, haben wir auch den Wettbewerb für ein Urban Planning Museum gewonnen.

STANDARD: Was gibt es in so einem Museum zu sehen?

Reicht: Durch die enormen Bauvolumina gibt es stadtintern enorme Umstrukturierungen. Da werden Boulevards durch bestehende Wohngebiete durchgebrochen. Um das der Bevölkerung zu vermitteln, gibt es diese Museen. Dort sind Modelle der ganzen Stadt zu sehen, mit genauen Erklärungen der Bauvorhaben. So versucht man, die Bevölkerung mit ins Boot zu holen.

STANDARD: Was läuft in China sonst noch etwas anders als hier?

Reicht: Das Positivste, was mir aufgefallen ist: Man schenkt den Leuten viel mehr Vertrauen, auch in jungem Alter. Das ist sicher anders als hier. Wenn man in Österreich 15 oder 20 Jahre Erfahrung in renommierten Büros hat, Wettbewerbe gewonnen hat und dann sein eigenes Büro eröffnet, startet man trotzdem wieder bei null. Es wird so getan, als hätte man keine Erfahrung, keine Referenzen. Da darf man dann oft nicht bei Wettbewerben mitmachen, weil man die strengen Kriterien nicht erfüllt. In China war das ganz anders. Man wusste, was ich gemacht habe. Mittlerweile sind wir auch in Wuxi aktiv, wir wurden dort zu einem Wettbewerb für neue U-Bahn-Stationen geladen. Und außerdem verhandeln wir gerade ein sehr interessantes Projekt, Interior Branding und Headquarters für eine neue Fitnessstudio-Kette in Peking.

STANDARD: Sind auch die Abläufe in China schneller als bei uns?

Reicht: Jein. Der Anfangsprozess dauert länger, man muss dort erst einmal eine Beziehung zum Auftraggeber aufbauen. Das funktioniert auch nicht so wie hier, am Besprechungstisch, sondern man geht abendessen. Da diskutiert man dann ausgiebig und sehr intensiv. Aber wenn die Entscheidung einmal getroffen ist, geht's dann ganz schnell. Da kann es dann auch passieren, dass jemand sagt: Wir wollen das umgeplant haben – und das geht dann von heute auf morgen. Das ist mir genau so passiert. Ich war in Dalian zum Spatenstich für ein Konferenzzentrum eingeladen, wo wir den Wettbewerb gewonnen hatten. Das war ein großer medialer Aufwand, mit Bürgermeister und zahlreichen anderen Vertretern der Politik. Der Bürgermeister verkündete dann vor laufender Kamera, dass hier nicht nur ein Konferenzzentrum entstehen wird, sondern auch ein ganzes integriertes Opernhaus. Das war nicht so geplant. Ich habe dann dreimal bei der Übersetzerin nachgefragt, ob er das wirklich gesagt hat, und es stellte sich heraus, dass es stimmte. Die Zeremonie ist zu Ende, der Bürgermeister kommt zu mir und sagt: "Gestern habe ich eine Spitzenidee gehabt!"

STANDARD: Klingt abenteuerlich.

Reicht: Es war zwar ohnehin ähnlich angedacht, es gab eine große zentrale Halle, aber Opernhaus war natürlich keines geplant. Technisch ist das auch nicht so einfach. Aber die Bagger sind aufgefahren, und es wurde ein Opernhaus. 2013 wurde es übergeben.

STANDARD: Ihr Tipp für andere österreichische Architekten, um dort Fuß zu fassen?

Reicht: Es gibt Wettbewerbe, die auch öffentlich ausgeschrieben werden, das ist sicher ein Zugang, um sich einmal Gehör zu verschaffen. Ich bin aber dafür, dass wir Österreicher einmal eine Gemeinschaftsausstellung in China machen sollten. Mein Vorschlag wäre, dass sich einige Büros zusammentun und sich vor Ort präsentieren. So ein Urban Planning Museum wäre dafür beispielsweise ein geeigneter Ort. Es gab diesbezüglich sogar schon Anfragen aus China.

STANDARD: Nach China sind Sie nun auch in Indien aktiv, in Pune. Wie kam es dazu?

Reicht: Ein ehemaliger Mitarbeiter mit indischen Wurzeln ist dort unser Partner vor Ort. Wir machen in Pune Wohnbau, in riesigem Maßstab, ähnlich wie in China. Da geht's um 1.200 Wohnungen, und das ist eine sehr interessante Aufgabenstellung, weil das dann schon städtische Strukturen braucht – mit Kindergärten, Geschäften, Cafés. Auftraggeber sind private Investoren, zwei Brüder aus Pune.

STANDARD: Was ist in Indien anders als in China?

Reicht: Vieles. Alles dauert länger, die Entscheidungsfindung vor allem. China ist sehr stark hierarchisch, da gibt es einen, der das Sagen hat, und die Entscheidungen sind dann eben so. In Indien dauert vieles länger, wir sind ständig on hold, die Gesetze ändern sich laufend. Da geht's auch um Förderungen, da ändert sich ständig was. Die Kommunikation ist dafür einfacher, weil alles auf Englisch läuft. Und das große übergeordnete Ziel ist dort, Wohnraum zu schaffen. Mehrere hundert Millionen Einwohner haben dort noch keine Toilette in der Wohnung. (Martin Putschögl, 5.10.2017)