Wien – Eltern wünschen sich laut einer Studie mehr Informationen über Begabtenförderung an den Schulen. Viele der derzeit existierenden Möglichkeiten in diesem Bereich sind entweder nicht bekannt oder werden an der Schule des Kindes nicht angeboten. Immerhin zwei Drittel wünschen sich, flexibel auf die Interessen der Schüler einzugehen – auch wenn dann nicht der gesamte Stoff durchgenommen wird.

Für die Studie hat das Österreichische Institut für Familienforschung (ÖIF) in einer repräsentativen Online-Befragung Daten von 1300 Eltern mit Kindern im Alter bis zu 18 Jahren erhoben. Sie schätzten im Schnitt übrigens, dass etwas mehr als die Hälfte aller Kinder in einem oder mehreren Bereichen begabt sind. Diese Zahl hält Claudia Resch vom Österreichischen Zentrum für Begabtenförderung und Begabungsforschung (ÖZBF) in einer Aussendung zwar für "recht hoch gegriffen, aber ganz daneben liegt sie auch nicht. Wissenschaftliche Schätzungen gehen davon aus, dass 15 bis 20 Prozent aller Kinder das Potenzial zu hohen Leistungen haben, wenn die Förderbedingungen passen."

Etliche Förderungen sind nicht bekannt

Viele Möglichkeiten der Begabungsförderung an den Schulen sind den Eltern gar nicht bekannt: Fast zwei Drittel kennen die Möglichkeit zur Absolvierung von Hochschulkursen während der Schulzeit nicht, drei Viertel nicht die Möglichkeit zur schnelleren Absolvierung des Lehrplans ("Schnellzugklassen"). Immerhin die Hälfte kennt den Besuch des Unterrichts in einer höheren Klasse, 76 Prozent haben schon von individueller Förderung außerhalb des Unterrichts etwa in Unverbindlichen Übungen gehört, 82 Prozent vom Überspringen von Klassen, 85 Prozent von der Teilnahme an Wettbewerben und Olympiaden.

Bekanntheit an sich hilft aber nicht immer: An vielen Schulen werden diese Maßnahmen gar nicht angeboten bzw. wissen die Eltern nichts davon. Am häufigsten angeboten werden demnach Wettbewerbs- und Olympiade-Teilnahmen oder Unverbindliche Übungen, relativ wenig verbreitet bzw. beworben werden demgegenüber der Besuch des Unterrichts einer höheren Klasse, spezielle Begabtenklassen und Schnellzugklassen.

Schlüsselrolle der Pädagogen

Ausschlaggebend ist für die Eltern die Rolle der Lehrer: 84 Prozent gaben an, dass deren fachliche Kompetenz großen Einfluss auf die Begabungsentwicklung hat. Dass es hier noch "massiven Nachholbedarf" gebe, zeigt laut ÖZBF eine andere Studie unter Lehrerausbildnern an den Pädagogischen Hochschulen. Ergebnis: Diese wüssten kaum etwas über Begabtenförderung, noch halten sie diese für sonderlich wichtig für angehende Lehrer. Der Präsident des Bundeselternverbands, Gernot Schreyer bezeichnet das als "erschreckend": "Es zeigt, dass der Fokus der Bildungspolitik schlichtweg zu sehr auf den Defiziten liegt."

Und auch Resch wünscht sich eine andere Ausrichtung der bildungspolitischen Diskussion: "So wichtig Deutschkompetenzen und eine allgemeine Bildungspflicht sind, so kann doch die große Gruppe der begabten Schülerinnen und Schüler nicht einfach sich selbst überlassen werden." Diese hätten genauso das gesetzliche Recht auf Förderung. Außerdem sei es wissenschaftlich erwiesen, dass begabte Kinder ihre Talente ohne Förderung nicht optimal entwickeln können. "Und drittens: Begabungen nicht zu fördern, schädigt langfristig den Bildungs- und Wirtschaftsstandort Österreich." (APA, 2.10.2017)