Ein deutscher Bundeskanzler wird bis zum Lebensende als Repräsentant der Bundesrepublik, und wenn er der SPD angehörte, zugleich auch als Symbol des Aufstiegs der Sozialdemokratie betrachtet.

Das gilt nach Willy Brandt und Helmut Schmidt auch für Gerhard Schröder, der zwischen 1998 und 2005 als Regierungschef und SPD-Vorsitzender bleibende Spuren in der Wirtschafts- und Sozialpolitik hinterlassen hat. Wohl deshalb löste seine Bestellung zum Aufsichtsratsvorsitzenden des weltgrößten, mehrheitlich verstaatlichten russischen Ölkonzerns Rosneft ein beispielloses Echo in Deutschland, und nicht nur dort, aus.

"Tief gesunken", lautete der Titel des FAZ-Leitartikels über Schröder, der mit seiner neuen Funktion das Amt des Bundeskanzlers vollends in den Schmutz ziehe. Die Süddeutsche fand es empörend, dass ein früherer Bundeskanzler für ein Unternehmen arbeite, das in Brüssel und Washington (seit 2014) auf den Sanktionslisten stehe. Mit seinen politischen Erklärungen gegen die EU-Sanktionen nach seiner Wahl in St. Petersburg hat Schröder nur Öl ins Feuer gegossen. Es sei fraglich, wo heute seine Loyalitäten lägen, nachdem sich der Altkanzler nach dem Vorsitz bei den Pipelineprojekten Gazprom und Nord Stream auch auf die Gehaltsliste des vom Kreml kontrollierten Erdölriesen setzen lasse, sagte der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir.

Schröder könnte indes mit seinen weltweiten Verbindungen und seinem Ansehen in Wirtschaftskreisen zweifellos als nützlicher Türöffner für Putin wirken. Kein Wunder, dass Rosneft-Chef Igor Setschin voll des Lobes war: Schröder sei in die Geschichte eingegangen als der zu Russland "loyalste politische Führer Deutschlands". Der 57-jährige ehemalige Geheimdienstler und Vertraute Putins spielt mit dem von ihm geführten mächtigsten Konzern Russlands eine Schlüsselrolle im russischen Machtsystem. Er selbst wurde wegen Russlands Beteiligung im Ukraine-Konflikt persönlich mit US-Sanktionen bestraft. Der schwindelerregende Aufstieg seiner Ölfirma wurde durch die Zerschlagung von Konkurrenzfirmen und die Verhaftung der widerspenstigen Besitzer möglich gemacht. Spannende Reportagen haben das traurige Schicksal der Gegner Setschins beschrieben.

Zuletzt hat es den Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew erwischt, weil er sich zeitweilig gegen die Übernahme eines zur Privatisierung ausgeschriebenen Ölunternehmens durch Setschins Staatskonzern gestellt haben soll. Er sitzt seit November in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, zwei Millionen Dollar vom Rosneft-Chef erpresst zu haben. Der Ex-Minister spricht von einer Provokation. Wie auch immer, Schröders neue Firma genießt einen zweifelhaften internationalen Ruf. Allerdings sollen sogenannte unabhängige Mitglieder des Verwaltungsrates jährlich 500.000 bis 580.000 Dollar erhalten!

Der in einer Existenzkrise befindlichen SPD schadet die unverhohlene Gier ihrer früheren Leitfigur. Für die österreichische Schwesterpartei in selbstausgelösten Turbulenzen gilt eher die Feststellung des deutschen Kulturphilosophen Peter Sloterdijk: "Das Grundproblem der Politik ist die Dummheit." (Paul Lendvai, 2.10.2017)