Soll die Facebook-Causa rund um Tal Silberstein untersuchen: Christoph Matznetter.

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"Undurchsichtig": Christoph Matznetter fasst die Lage mit einem Wort zusammen. Seit Montagfrüh ackert sich der Wirtschaftsprüfer und Parlamentarier durch Akten in der Parteizentrale, um – so der offizielle Auftrag von SP-Chef Christian Kern – jene Affäre zu klären, die der SPÖ die Kanzlerschaft kosten könnte. Doch nach wie vor, sagt Matznetter, fehlten Antworten.

Fakt ist, dass der israelische Berater Tal Silberstein, der hinter den verleumderischen Facebook-Seiten über Sebastian Kurz stand, offiziell für Kerns SPÖ gearbeitet hat. Diverse Aufträge hätten sich auf ein Honorar von etwa einer halben Million summiert, verrät Matznetter nach ersten Nachforschungen, Mitarbeiter aus Silbersteins Team seien in der Parteizentrale gesessen. Doch der Betrieb der umstrittenen Homepages oder andere Aktivitäten in Sachen Dirty Campaigning seien in vereinbarten Leistungen nicht enthalten gewesen – weshalb Matznetter es für unwahrscheinlich hält, dass dies aus dem offiziellen Honorar gezahlt wurde. Silberstein habe lediglich Aufträge für Meinungsforschung und Strategieanalysen bekommen.

Der neue SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christoph Matznetter will die Facebook-Affäre der Staatsanwaltschaft übergeben und stellt in den Raum: Auch der politische Mitbewerber könnte involviert sein. Beitrag aus der "ZiB" um 7 Uhr.
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Dreifacher juristischer Schritt

Wer die Sudelkampagne dann in Auftrag gegeben und bezahlt hat? Geht es nach Matznetter, dann sollen juristische Mittel Antworten bringen. Im Gespräch mit dem STANDARD kündigt er eine Anzeige gegen unbekannt wegen medienrechtlicher Verstöße an. Denn eigentlich dürfe es laut Gesetz derartige anonyme Seiten gar nicht geben, zumindest müssten Name und Anschrift des Verantwortlichen aufscheinen.

Überdies plant die SPÖ eine strafrechtliche Anzeige: So könnten die Verunglimpfungen gegen Kurz und auch Kern auf den Homepages den Tatbestand der Beamtenbeleidigung und Diffamierung erfüllen. Schließlich will die SPÖ noch ein Auskunftsbegehren nach E-Commerce-Gesetz an Facebook richten, die Namen der Initiatoren herauszugeben.

Außerdem kündigt Matznetter eine externe Prüfung des Silbersteinvertrags an – durch jenen Wirtschaftsprüfer, den der Rechnungshof zuletzt zur Überprüfung des SPÖ-Rechnungsabschlusses nominiert hatte.

Frage der Mitwisserschaft

Soll die Aufklärung wirklich schonungslos sein, dann müsste sich Matznetter wohl auch der Rolle seines Vorgänger als Parteimanager widmen. Unter Genossen kursieren Zweifel an der offiziellen Version, dass der am Sonntag zurückgetretene Georg Niedermühlbichler nichts von Silbersteins Umtrieben gewusst habe. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Wahlkampfleiter da nichts weiß", sagt ein Insider. Plausibler sei, dass Niedermühlbichler die Aktivitäten gekannt, nicht aber Weitblick und Durchsetzungsvermögen aufgebracht habe, diese zu stoppen: "Silberstein ist ja ein starker Typ."

Und Kern selbst? Es sei denkbar, dass ein Wahlkampfteam den Oberboss nicht über alle Grauslichkeiten informiere, sagt einer aus der Partei. Andernfalls könnte Kern Dirty Campaigning nicht mehr aus voller Überzeugung öffentlich dementieren.

Allerdings kann hinter derartigen Theorien auch der Versuch stecken, den Kanzler aus dem Schussfeld zu bringen. Die Strategie der SPÖ hat Kern bei der ATV-Debatte am Sonntag vorexerziert: Er strich hervor, selbst auf den Sudel-Homepages verunglimpft worden zu sein, und deutete vermeintliche Querverbindungen zu anderen Parteien an.

Ist der Versuch, die klare Verbindung zur SPÖ zu verwischen, nicht aussichtslos? Josef Kalina glaubt das nicht unbedingt. "Die Leute gehen davon aus, dass Wahlkämpfe Schlammschlachten sind, an denen sich alle Parteien beteiligen", sagt er mit Blick durch die Brille eines Politikberaters, der viele Jahre für die SPÖ gearbeitet hat: "Ich bin gespannt, wie sich die Affäre dann wirklich auswirkt." (Gerald John, 2.10.2017)