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Im britischen AKW Hinkley Point wird derzeit in zwei Reaktoren Strom produziert.

Foto: Reuters/Darren Staples

Wien/London/Luxemburg – Der Countdown für eine möglicherweise entscheidende Weichenstellung in der europäischen Energie- und Klimapolitik läuft. Am Freitag wird die von Österreich eingebrachte und von Luxemburg unterstützte Klage wegen Wettbewerbsverzerrung gegen das AKW-Neubauprojekt Hinkley Point C am Europäischen Gericht erster Instanz mündlich verhandelt. Experten sind sich einig, dass die Entscheidung, wie auch immer sie ausfällt, lange nachwirken wird.

Die Klage wurde von Österreich 2015 eingebracht. Es geht um eine Nichtigkeitsklage gegen die im Herbst 2014 erfolgte Zustimmung der EU-Kommission, dass Großbritannien mit Steuermitteln den Ausbau eines Atomkraftwerks finanzieren darf. Die britische Regierung hat sich gegenüber dem künftigen Betreiber der neuen Reaktorblöcke, dem französischen Staatskonzern EDF, zu weitreichenden Zugeständnissen verpflichtet. Neben staatlichen Kreditgarantien für den Bau bekommt EDF auch einen fixen Abnahmepreis für die Dauer von 35 Jahren. Dieser liegt mit umgerechnet 10,5 Cent je Kilowattstunde etwa doppelt so hoch wie der derzeitige Strompreis auf der Insel.

Urteil in rund zwei Monaten

Nach der Anhörung am Freitag ist mit dem Urteil der EU-Richter in rund zwei Monaten zu rechnen. "Ich gehe davon aus, dass in jedem Fall berufen wird, egal wie das Urteil ausfällt", sagt Rudi Anschober, grüner Umweltlandesrat in Oberösterreich, dem STANDARD. Er hat die Nichtigkeitsklage mitinitiiert und arbeitet jetzt parallel an der Verbreiterung seiner im Vorjahr gestarteten "Allianz der Regionen für einen europaweiten Atomausstieg", die mittlerweile 15 Regionen umfasst.

Im Subventionsstreit sei spätestens Anfang 2019 mit der definitiven, nicht mehr beeinspruchbaren Entscheidung des EU-Höchstgerichts zu rechnen. "Kommt ein Nein heraus, was wir hoffen, heißt dies gleichzeitig auch das Aus für alle europäischen AKW-Neubauprojekte. Dazu zählen unter anderem Temelín und Dukovany", sagt Anschober. Denn ohne massive staatliche Hilfen sei Atomkraft wirtschaftlich nicht darstellbar.

Über der Grafschaft Somerset an der Südwestküste Englands, wo nahe Bridgwater neben zwei in Betrieb befindlichen Reaktoren zwei neue (Hinkley Point C) errichtet werden sollen, ziehen zusätzlich schwarze Wolken auf. Wegen eines drohenden Streiks für höhere Gehälter für am Bau beteiligte Zivilingenieure, der genau am Tag der mündlichen Verhandlung in Luxemburg beginnen und sechs Tage dauern soll, könnte der Zeitplan neuerlich ins Wanken kommen.

Explodierende Kosten

Erst diesen Sommer hat EDF davon gesprochen, dass sich die Baukosten von 18 auf 20,3 Milliarden Pfund (23 Milliarden Euro) erhöhen und die Fertigstellung voraussichtlich um 15 Monate verzögern werde. Das hieße, dass Hinkley Point C frühestens 2027 ans Netz gehen kann. Der britische Rechnungshof hat das AKW-Neubauprojekt in Somerset zuletzt als teuer und riskant eingestuft. Es wäre ein schlechter Deal für Generationen britischer Stromkonsumenten.

Windkraft sei nunmehr günstiger als Atomstrom aus Hinkley Point, sagt Anschober. Laut einer vom Land Oberösterreich in Auftrag gegebenen Studie brächte ein Atomausstieg nicht nur wirtschaftliche Vorteile für Europa. Auch die Klimaschutzziele ließen sich bei gleichzeitigem Ausbau erneuerbarer Energien gut verwirklichen – und hätten mittelfristig eine preisdämpfende Wirkung auf Strom. (Günther Strobl, 3.10.2017)