Die Künstlerin Hannah-Lisa Kunyik bei ihrer Performance vor einem Haus in der Westbahnstraße in Wien-Neubau. Im siebenten Bezirk wurden in der Nazizeit besonders viele Juden von "Ariern" denunziert und ihrer Wohnungen beraubt.

Foto: Irene Brickner

Wien – Erst stand sie mit gesenktem Kopf vor den neu angebrachten Steinen der Erinnerung in der Westbahnstraße 56-58 in Wien-Neubau. Dann legte sie sich nieder, mitten auf dem Gehsteig, flach auf den Bauch, für 15 Minuten: eine Geste tiefer Trauer, mit der die Performancekünstlerin Hannah-Lisa Kunyik der vier jüdischen Hausbewohner gedachte, die in der Nazi-Zeit von hier vertrieben, deportiert und ermordet wurden.

Unter den Ermordeten befindet sich etwa Antonie Leist, die in dem Haus eine Drogerie betrieb. Mit ihren bei der Deportation 75 Jahren war sie die älteste der 42 getöteten jüdischen Frauen, Männer und Kinder. In deren Gedenken wurden vor vier Häusern in der Westbahnstraße 42 Steine der Erinnerung verlegt.

Dreistündige Einweihungsfeier

Sonntagabend fand zu ihrer Einweihung eine dreistündige Veranstaltung statt – samt Skulpturenpräsentation von Georg Böhme, Videoperformance von Günter Puller und Lazar Lyutakow, Konzert der Cappella Splendor Solis und Installation der taiwanesischen Künstlerin Tsai-Ju Wu.

Zur "Arisierungs"-Geschichte im Grätzel recherchiert hat der Galerist Thomas Kreuz von der IG Kaufleute Westbahnstraße. In Neubau, wo vor 1938 nach dem zweiten Bezirk die zweitmeisten Juden Wiens lebten, sei Denunzierung durch "Arier" besonders häufig gewesen, fand er heraus. Die Aktion versteht er als Warnung: "Viele, die die Nazis wählten, taten das aus Protest. Sie bedachten nicht, wer damit an die Macht kam." (bri, 3.10.2017)