Wien – Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft wogen schwer, die Anklage lautete auf geschlechtliche Nötigung und versuchte Vergewaltigung. Ein 19-jähriger Afghane soll eine 21-jährige Erasmus-Studentin aus der Slowakei beim Wiener Donauinselfest im Juni vor einer Bühne begrapscht und bedrängt, sie danach gewaltsam ins Gebüsch gezerrt und umgeworfen haben. Bevor Beamte einschreiten konnten, soll der 19-Jährige bereits versucht haben, der Frau das T-Shirt auszuziehen.

Am Dienstag, dem zweiten Prozesstag, wurde die 21-Jährige unter Ausschluss der Öffentlichkeit als Zeugin vernommen. Sie war mittels Videokonferenz aus der Slowakei zugeschaltet. Der Schöffensenat unter Vorsitz von Richter Norbert Gerstberger entschied nach den Aussagen auf teilweise schuldig: Dass der 19-Jährige vor hatte, die Frau zu vergewaltigen, wurde in der Urteilsbegründung als "einigermaßen zweifelhaft" bezeichnet. "Nicht einmal die Hose hat er ihr ausgezogen. Er hat versucht, ihr das Leibchen auszuziehen", sagte Gerstberger.

Keine Einvernehmlichkeit

Verurteilt wurde der 19-Jährige wegen versuchter geschlechtlicher Nötigung. Von einvernehmlichen Berührungen und Küssen, wie sich der 19-Jährige weiterhin zu verteidigen versuchte, könne keine Rede sein, meinte Gerstberger. "Es musste auch dem Angeklagten klar gewesen sein, dass sie nicht irgendwelche Knutsch-Aktionen ausführen wollte." Dass die Übergriffe nicht einvernehmlich stattfanden, habe die Zeugin glaubwürdig ausgesagt.

Die Vorfälle beim Tanzen vor der Bühne, als der 19-Jährige die Frau erstmals bedrängt und begrapscht haben soll, wurden als "moralisch übergriffig" bewertet. Im Zweifel konnte aber nicht festgestellt werden, ob diese derart intensiv waren, dass diese den Tatbestand der geschlechtlichen Nötigung erfüllen.

Strafrahmen bis zu fünf Jahre

Bei einem Strafrahmen bis zu fünf Jahren wurde der Flüchtling – er kam im Jänner 2015 nach Österreich – nicht rechtskräftig zu 18 Monaten teilbedingt verurteilt. Sechs Monate sind unbedingt abzusitzen, wobei ihm knapp sechs Wochen U-Haft angerechnet werden. Richter Gerstberger sprach von einem "deutlichen Signal. Derartige Vorgangsweisen werden in Österreich nicht toleriert".

Der Afghane könnte um Strafaufschub bitten, da er eine Lehrstelle gefunden hat – und erst nach Absolvierung die Hafstrafe antreten. (David Krutzler, 3.10.2017)