Die Welt in 3.127 kunstvollen Objekten erklären? Das kann auch die neu konzipierte ethnologische Schausammlung des Weltmuseums Wien nicht leisten. Doch wenn das Haus am Heldenplatz nach drei Jahren Umbau zum 25. Oktober eröffnet, wird man die Welt mit ihren oft überraschenden Verbindungen zu Österreich wieder ein wenig besser verstehen. Verantwortlich dafür ist der neue erzählerische Ansatz der Ausstellungen: Per Videoinstallation liefern die Kuratoren das Narrativ zu den Objekten: Woher sie stammen, wem sie gehörten, wofür sie gut sind und unter welch abenteuerlichen Umständen sie nach Wien kamen. Wir erzählen vorab fünf spannende Geschichten aus fünf Erdteilen.

Mit Augen aus Perlmutt und einem Mund voller Hundezähne begrüßt einen im Zentrum des Saals "Ozeanien und Australien" die Federbüste aus Hawaii (Bild unten). Sie verkörpert den hawaiianischen Kriegsgott Ku, dessen furchterregende Büste bei Ausbruch eines Krieges zur Abschreckung auf einen langen Holzstab gesteckt wurde.

Foto: KHM Museumsverband

Nach Europa kam die Büste im Rahmen einer der drei Forschungsexpeditionen von James Cook zwischen 1768 und 1780. 1806 erteilte Kaiser Franz I. den Auftrag, sie einem überschuldeten Sammler aus London für das Wiener Hof-Naturalienkabinett abzukaufen.

China: Beamtenschirm

Im Kaiserreich China wurde über 500 Jahre hinweg der sogenannte Ehrenschirm an Beamte verliehen. In der Karriere eines chinesischen Beamten ging es darum, dem Kaiser auch räumlich möglichst nahe zu kommen. Dies gelang durch das Ablegen einer Prüfung, nach der man in eine Provinz versetzt wurde, die der Verbotenen Stadt in Beijing näher lag – zum Abschied aus der alten Provinz wurde Beamten der Ehrenschirm geschenkt.

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Das Besondere an diesem Exemplar aus dem späten 19. Jahrhundert ist, dass es einem Dänen gehörte. Obwohl die Verleihung normalerweise Chinesen vorbehalten blieb, erhielt er die hohe Auszeichnung, weil er sich beim schnellen Bau einer Telegrafenleitung verdient gemacht hatte. 1892 befand sich der Schirm bereits in Besitz der Wiener Sammlung. Der österreichische Konsul in Schanghai erwarb ihn für die Weltausstellung in Wien (1893).

Brasilien: Federfummel

Eigentlich hätte der österreichische Naturforscher Johann Natterer 1817 nur kurz der Hochzeit zwischen Erzherzogin Leopoldine und dem portugiesischen Thronfolger Dom Pedro I. in Brasilien beiwohnen sollen. Es gefiel ihm dort aber so gut, dass er 18 Jahre blieb. Er bereiste weite Teile des Landes und legte den Grundstein für die weltweit umfangreichste Sammlung ethnografischer Objekte aus Brasilien, darunter 170 Federarbeiten der Munduruku.

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Als besonderes Schmuckstück gilt dieser Federschurz, dessen genauer Zweck unklar ist. Das indigene Volk der Munduruku lebt bis heute im Amazonas-Gebiet am Rio Tapajós. Welche kunstvollen Arbeiten ihre Vorfahren schufen, sahen einige von ihnen zum ersten Mal bei einem Besuch der Wiener Sammlung. Das Siedlungsgebiet der Munduruku ist akut vom Bau hydroelektrischer Staudämme am Amazonas bedroht.

Papua-Neuguinea: Schneckenschreck

Im 19. Jahrhundert gelangten Handelswaren, Kunstwerke und Kuriositäten oft direkt aus dem Pazifik nach Österreich. Die k.u.k. Marine unterhielt damals die Korvette Fasana für Expeditionsreisen, auf der Alexander Kukic von 1893 bis 1895 seinen Dienst als Schiffsarzt versah. Auf der Fahrt in die Südsee legte sich Kukic eine kleine Sammlung an, zu der diese Holzmaske aus dem damaligen Neuirland (heute Papua-Neuguinea) gehört.

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Zum Einsatz kam die Maske mit den angsteinflößenden Augen aus den Schalen einer Meeresschnecke bei Malagan-Trauerzeremonien. Diese Feiern finden zwar immer zu Ehren verstorbener Personen statt, sie haben aber auch andere Funktionen. So werden bei dem Fest etwa auch Schulden zurückgezahlt. 1895 trat Kukic seine Sammlung ab – an das damals schon gigantische Exotenarchiv des österreichischen Kaiserhauses.

Sierra Leone: Schulungsmaske

Wie kommt es, dass diese afrikanische Maske erst vor knapp 30 Jahren nach Wien gelangte? Der sogenannte Fashion Devil wurde überhaupt erst 1989 von einem Künstler in der Hauptstadt Freetown gefertigt und diente einem Verein in Sierra Leone dazu, Jugendliche in der Stadt besser mit der eigenen Kultur vertraut zu machen. Oft wissen diese nicht mehr um die Bedeutung der traditionellen, ländlichen Masken, die in Sierra Leone beispielsweise von Menschen in Vermittlerrollen getragen werden.

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Der spät angekaufte fast 1,40 Meter hohe Fashion Devil, der vermutlich bei didaktischen Tanzaufführungen zum Einsatz kam, ist für die Wiener Ethnologen auch deshalb interessant, weil er mit der Vorstellung bricht, Kultur sei etwas Abgeschlossenes: Die verwendeten Materialien wie die blauen Kunstfasern zeugen von globalen Verhältnissen auch in der afrikanischen Kunstproduktion. (Sascha Aumüller, RONDO, 6.10.2017)