Metallergewerkschafter Rainer Wimmer hat kürzlich ein nettes Sprichwort verwendet. Heuen musst du, wenn das Wetter schön ist (im Hallstätter Dialekt klang das etwas anders). Wenige Wochen später konkretisierte er die Ankündigung mit einer Forderung nach vier Prozent Lohnerhöhung für die Arbeiter und Angestellten in der Metallindustrie. Dem SPÖ-Mandatar brachte das promt den Vorwurf ein, der angeschlagenen Partei im Wahlkampf etwas Ablenkung verschaffen zu wollen. Letztlich ist dieser Punkt unerheblich: erstens weil die Lohnrunde in die heiße Phase geht, zweitens weil Wimmer gute Argumente hat.

Die Konjunktur ist nicht nur ordentlich auf Touren gekommen, der starke Aufschwung scheint auch ziemlich nachhaltig zu sein. Die Exporte – und das ist das für die Metallindustrie wesentliche Kriterium – ziehen noch deutlicher an als die Gesamtwirtschaft. Die Auftragsbücher der Branche sind voll, und von einer Beeinträchtigung der Wettbewerbssituation durch eine angemessene Kollektivvertragsrunde kann keine Rede sein. Im Gegenteil: Die Industrie erfreut sich saftiger Produktivitätsfortschritte.

Umgekehrt ist der Lohn für die unselbstständig Beschäftigten nicht erst seit gestern ein karger. Mit Ostöffnung und EU-Beitritt wuchs der Kostendruck, die Industrie konnte sich schlicht nicht mehr leisten. Doch auch in den vergangenen zehn Jahren schauten die Arbeitnehmer durch die Finger (mit Ausnahme des Jahres 2016, als die Steuerentlastung in Kraft trat). Unter dem Strich stagnieren die Pro-Kopf-Einkommen netto seit ungefähr einem Vierteljahrhundert.

Das hängt nicht nur mit der Lohnzurückhaltung der Betriebe zusammen. Bei der Inflation liegt Österreich regelmäßig im Spitzenfeld, was auch mit mangelndem Wettbewerb im Einzelhandel zu tun hat. Der größte Raubritter im System ist freilich der Staat, der regelmäßig Bruttolohnsteigerungen ins Gegenteil verkehrt (auch hier mit Ausnahme 2016). Die kalte Progression schlägt gnadenlos zu und wird das wohl weiterhin tun, nachdem die Regierung alle Versprechungen zu deren Abschaffung oder Abflachung gebrochen hat.

Nun sollte man nicht den Fehler machen und den Arbeitgebern die Versäumnisse bei Wettbewerbs- und Steuerpolitik um den Hals hängen; doch die Betriebe sind allein schon durch die Steigerung ihrer Produktivität in der Lage, einen Teil davon mit der Belegschaft zu teilen. Die Gewinnentwicklung spricht auch eine deutliche Sprache und untermauert die Forderung der Gewerkschaft.

Einen Schwachpunkt hat die Vorgangsweise dennoch: Sie belastet auch Betriebe, die sich derartige Lohnerhöhungen nicht leisten können. Eine Voestalpine mag die Steigerung der Arbeitskosten dank Technologievorsprungs verkraften, Unternehmen mit weniger starker Marktstellung und Produktqualität nur schwerlich. Damit entpuppt sich wieder einmal: Dass die Kollektivverträge in Österreich flächendeckend gespannt sind, ist Wohl und Übel zugleich. Ein unter hartem Kostendruck stehender Betrieb hat reichlich wenig davon, wenn eine großzügige Lohnerhöhung zwar volkswirtschaftlich förderlich ist, er sie sich aber nicht leisten kann. Daher wäre es zu begrüßen, wenn nicht alle Unternehmen einer Branche über einen Kamm geschert werden.

Um bei Wimmers Bauernweisheit zu bleiben: Die Sonne scheint meist nicht im ganzen Land. (Andreas Schnauder, 3.10.2017)