Ein Porträtmaler im New Yorker Central Park.
Foto: gettyimages/istockphoto/andraz_Naglic

Pro
von Petra Stuiber

Das erste Mal wurde ich mit 14 gemalt. Die Buben aus meiner Klasse hatten mich zur "Miss Skikurs" gewählt – was weniger mit meinem Aussehen und mehr mit der Tatsache zu tun hatte, dass die wirkliche Klassenschönheit tags zuvor mit Mr. Cool, dem Anführer unserer Klassenbuben, Schluss gemacht hatte. Egal. Jedenfalls malte der Klassenschöngeist daraufhin ein erstaunliches Bild von mir. Ich erkannte mich nicht wieder, war aber angenehm überrascht.

Später, als Studentin, saß ich in der Volkshochschule Liesing gegen ein Taschengeld Porträt. Auch hier waren die Ergebnisse zumeist nicht wirklich treffend, aber meistens nett. Den Höhepunkt meines Musendaseins erlebte ich vor rund zehn Jahren, als mich meine Freundin, die Malerin und Journalistin Heidi Lackner, bat, zu Übungszwecken für sie zu "sitzen". Das Ergebnis war treffend UND schmeichelhaft, sie ist eine echte Freundin. Mein Mann hängte das Bild ins Arbeitszimmer, dorthin, wo es nicht jeder gleich sieht, und meinte: "Besser von Lackner gemalt als vom Leben gezeichnet." Wo er recht hat, hat er recht.

Kontra
von Alex Stranig

Ich werde sie nie vergessen, die entsetzten Blicke der Damen, die sich jeden Sommer vor dem Schloss an der Veldener Seepromenade von mäßig talentierten Malern porträtieren ließen. Das Ergebnis war immer ernüchternd und hatte so gar nichts mit jenen ausgestellten Porträts von Lady Diana und Claudia Schiffer zu tun, die vergilbt neben des Künstlers Klappstuhl standen. Aber was will man machen? Wegwerfen ist keine Option. Vor allem nicht, wenn der Ehemann das Porträt bezahlt hat. Und so hängt das "Kunstwerk" jahrelang prominent über dem Esstisch.

Man braucht schon eine gesunde Portion Narzissmus, um beim Abendessen stolz unter seinem eigenen Porträt zu sitzen und sich von Gästen die immergleiche Frage gefallen zu lassen: "Bist das wirklich du?" Nach dem Eingeständnis, dass nicht das Selbstbild gestört ist, sondern der Porträtist ein schlechter war, wird die gerahmte Kohlezeichnung unauffällig entfernt, um einem Kunstdruck von Klimt, Kandinsky oder Monet zu weichen. Ganz nach dem Motto: Besser ein guter Fake als ein schlechtes Original! (RONDO, 9.10.2017)