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Vor dem Gerichtsgebäude in Mugla fordern Erdogan-Fans den Tod der Angeklagten.


Foto: Reuters/Orsal

Ankara/Athen – Er ist ein Soldat ganz nach dem Geschmack des türkischen Fernsehpublikums, ein Rambo und ein Rächer, und einer, der den Kopf hingehalten hat im Kampf gegen die PKK der Kurden und gegen die Islamisten in Syrien. Gökhan Sönmezates, der Brigadier und Mann für Spezialeinsätze, wäre ein Held geworden – wäre da nicht der Putsch im Vorjahr gewesen. Am Mittwoch sprach ein Gericht in Mugla an der türkischen Mittelmeerküste das Urteil: viermal lebenslänglich unter erschwerten Bedingungen.

Sönmezates hatte in der Putschnacht des 15. Juli die zwei Spezialkommandos losgeschickt, die den türkischen Staatschef Tayyip Erdogan in seinem Luxushotel in Marmaris in der Provinz Mugla in ihre Gewalt bringen sollten. "Nicht töten, sicher nach Ankara bringen", hatte Sönmezates während des Verfahrens präzisiert.

Erdogan und seine Familie waren längst fort, als sich Sönmezates' Männer aus Hubschraubern über dem Hotelgelände abseilten. Es war 4.42 Uhr am Morgen des 16. Juli. Der Staatspräsident war bereits in Istanbul gelandet und hatte das Volk ein weiteres Mal zum Widerstand gegen die Putschisten aufgerufen.

Zwei Polizisten erschießen die Soldaten auf dem Weg ins Hotel. "Es war völlig planlos", sagte Sükrü Seymen, ein Offizier, der eines der beiden Teams in Marmaris anführte. Er habe ans Aufgeben gedacht, als er von Sönmezates auf einer Militärbasis in Izmir über den Auftrag unterrichtet wurde. Aber Seymen wollte einen günstigeren Zeitpunkt abwarten. Dazu kam es nicht mehr. 31 weitere Angeklagte im Prozess gegen das "Mordkommando" , wie es die Justiz nennt, werden ebenfalls zu vierfachen lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Sükrü Seymen ist auch dabei. Er sei kein Weichei, hatte er dem Richter erklärt. Er nähme auch die Todesstrafe an.

Putschgeneral erschossen

Vier Stunden wartete das Kommando auf der Basis in Izmir auf den Einsatzbefehl. Die Kommunikation war zusammengebrochen, der Chef der türkischen Spezialkräfte, General Semih Terzi, bereits erschossen. Er galt als einer der führenden Köpfe der Putschisten. Sönmezates hatte von ihm am Tag vor dem Putsch den Auftrag zur Ergreifung Erdogans erhalten. Er ist wie Seymen einer der wenigen Soldaten in den Putschprozessen, die ohne Umschweife ihre Beteiligung zugeben. Sönmezates berief sich auf die "Verteidigung des Vaterlands" und auf Kenan Evren, den Putschführer von 1980 und späteren Präsidenten. Auch eine türkische Actionserie zog der Exoffizier zur Erklärung heran: Cesur Yürek, die Geschichte eines ehemaligen Soldaten, der in seinem Stadtviertel das Recht in die Hand nimmt.

"Die Schuldigen werden im Gefängnis vor sich hinmodern", so hatte sich Erdogan ereifert. Die Urteile in dem zehn Monate dauernden Prozess gegen das "Mordkommando" werden wohl die Debatte über die Todesstrafe neu entfachen. Die Kleiderordnung hat dieser Prozess in Mugla bereits geändert. Putschisten tragen künftig braune Overalls, entschied Erdogan. Denn in Mugla war ein Angeklagter einmal mit einem T-Shirt ins Gericht geführt worden, auf dem in großen Lettern "Hero" stand. Die Schwester gab es ihm. (4.10.2017)