Cold Specks sucht auf "Fool's Paradise" ihre Wurzeln.

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Wien – Herkunft, Vertreibung und Identität gelten im Soul als Sujets, die immer wieder auftauchen. Zumal sich der Soul aus dem Gospel entwickelt hat, in dem in dieses Gemisch noch der göttliche Wille, das Prinzip Hoffnung und die Aussicht auf ein Jenseits eingebracht wurden. Halleluja!

Ganz so schwer legt es Ladan Hussein nicht an. Die unter dem bei James Joyce entliehenen Namen Cold Specks arbeitende Musikerin veröffentlichte eben ihr Album Fool's Paradise, das sie am 18. Oktober in der Wiener Arena live präsentieren wird.

Cold Specks spielt elektronischen Soul. Ein leichtes Gemüt würde ihre Botschaft nicht weit tragen, dementsprechend lädt sich die Kanadierin mit somalischen Wurzeln einiges auf ihre Schultern. Dass sie das hebt, hat sie schon gezeigt: im eigenen Werk oder als Gastmusikerin bei den Swans und Massive Attack. Beides keine Fliegengewichte.

Die Auseinandersetzung mit ihrer Herkunft ist auf Fool's Paradise ein Thema. Hussein singt darin erstmals in der Sprache ihrer Eltern. Zwar nur eine Zeile, doch die ist anfällig für bedeutungsschwangere Interpretationen: "Kala garo naftaada iyo laftaada" bedeutet auf Deutsch so viel wie "Erkenne den Unterschied zwischen deinen Knochen und deiner Seele".

Daraus erwächst eine Spiritualität, die sich in Cold Specks Musik ausmachen lässt. In geisterhaft-verhangenen Sounds, in die sie ihren vor Sehnsucht vergehenden Gesang bettet. Ihr Körper mag in Kanada aufgewachsen sein, ihre Seele spaziert zurück in die Heimat ihrer Eltern. Das scheint ohnehin Neuland für Hussein zu sein, erst vor zwei Jahren hat sie erfahren, dass ihr Vater in den 1970ern in Somalia selbst eine Band hatte. Die Entdeckungsreise zu ihren Wurzeln hat offenbar gerade erst begonnen.

Wärme als Schutzmantel

Fool's Paradise bildet diese Suche und die ersten Entdeckungen ab. Ihre meist abgebremsten Songs durchmisst sie mit staunenden Augen und einer Reserviertheit, so als könnte sie jeden Moment eine schreckliche Entdeckung machen. Immerhin wurde ihre Familie durch den Krieg in der Heimat ihrer Eltern auseinandergerissen, Verwandte sind verschwunden, die Flucht, das Asyl haben viele für immer verändert.

Zurückhaltend instrumentiert, wandert Ladan Hussein durch heimelige Stücke. Deren Wärme wirkt wie ein Schutzmantel, den sie sich für ihre Reise umgehängt hat. Ein wenig abenteuerarm fällt diese dann doch aus. Auf Ausreißer aus der gängigen Klangästhetik des Albums wartet man vergebens, aber das kann beabsichtigt sein. Dennoch wäre die Hereinnahme somalischer Musik als Identitätsstifterin vielleicht originell gewesen, beim Thema der Spurensuche drängte sich das ja nachgerade auf. Im letzten Song, Exile, löst sie das mit einem Spoken-Word-Outro kurz ein. Ansonsten gilt wieder, dass der Weg bedeutender ist als das Ziel. (Karl Fluch, 5.10.2017)