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Ägyptens Geheimdienstchef Khaled Fawzy (unter dem Porträt Arafats) und der palästinensische Premier Rami Hamdallah (rechts von Fawzy) verfolgen gemeinsam mit anderen in Gaza-Stadt die Rede von Ägyptens Präsident Abdelfattah al-Sisi.

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Gaza-Stadt/Wien – Bei der Sitzung der Regierung der palästinensischen Autonomiebehörde in Gaza-Stadt unter Leitung von Premier Rami Hamdallah wurde am Dienstag wortreich das Ende der Spaltung zwischen Fatah und Hamas beschworen: Demnach sollen Westjordanland und Gaza-Streifen, die seit 2007 unter einander feindlich gesinnten Verwaltungen stehen, wieder zusammenwachsen. Aber die Stunde der Wahrheit kommt nächste Woche bei einem Treffen in Kairo, wenn es erstmals um den großen Knackpunkt geht: Wird die Hamas zustimmen, dass die Autonomiebehörde tatsächlich die volle Kontrolle über alle Sicherheitsfragen übernimmt?

Das würde auf eine Auflösung des militärischen Zweigs der Hamas, der Qassem-Brigaden, hinauslaufen. Präsident Mahmud Abbas stellte bereits klar, dass er keine "Hisbollah-Lösung" wie im Libanon zu akzeptieren bereit sei, eine Partei mit eigenen Milizen.

Für die Hamas wäre es ein Akt der totalen Selbstaufgabe, "Selbstmord", wie es manche nennen. Viele Beobachter meinen deshalb noch immer, dass das Versöhnungsangebot der Hamas an die Fatah – immerhin mit einer Auflösung ihres "Verwaltungskomitees" im Gaza-Streifen verbunden – ein taktischer Schritt war. Der Hamas laufen im herabgewirtschafteten, isolierten Gaza-Streifen die Leute davon, deshalb möchte sie die Regierung an die Fatah loswerden – um sich auf deren Kosten zu regenerieren.

Die Fatah hat aber ebenfalls jetzt schon schlechte Werte: Zumal Abbas in den vergangenen Monaten zur Verschlechterung der Lebensbedingungen beitrug, indem er Zahlungen für Gehälter und Elektrizität in Gaza einstellte.

Der Unterschied zu 2014

Warum der aktuelle Annäherungsprozess dennoch mit großem Interesse verfolgt wird, liegt am Vermittler: Ägypten. Seit Monaten laufen die Gespräche unter der Ägide des ägyptischen Geheimdienstes, der am Dienstag in Gaza ebenfalls dabei war. Präsident Abdelfattah al-Sisi wurde per Video zugeschaltet und redete den Palästinensern ins Gewissen, ihre Chance nicht zu verpassen.

Die Hamas beteuert, im Verhältnis zu Kairo "eine neue Seite" aufzuschlagen: Die Sicherheit Ägyptens sei der Hamas' höchstes Gut. Wenn man bedenkt, dass es in vielen der Prozesse, die in Ägypten gegen Muslimbrüder geführt werden, um deren angebliche Kollaboration mit der Hamas während der Revolution 2011 geht, ermisst man die Kehrtwende der Hamas. Sie hat sich in ihrer neuen Charta von den Muslimbrüdern, deren palästinensischer Zweig sie ursprünglich ist, distanziert.

Die Rolle Ägyptens macht auch für die USA, besonders aber für Israel den entscheidenden Unterschied. Premier Benjamin Netanjahu hat zwar dagegen ausgeholt, dass die palästinensische Versöhnung auf Kosten Israels vonstattengehen könnte. Aber er hat nicht, wie beim letzten größeren Versöhnungsanlauf 2014, Abbas vor die Wahl "Israel oder Hamas" gestellt. Israel hat auch die riesige Delegation aus dem Westjordanland – rund 350 Personen – bei ihrer Reise nach Gaza nicht behindert. Ägypten und Israel haben gemeinsame Sicherheitsinteressen.

Trumps "großer Deal"

In Gaza war auch der palästinensische Geheimdienstchef Majid Faraj dabei, der einen guten Draht gleichzeitig zu den USA und zum Hamas-Chef in Gaza, Yahya Sinwar, hat – und als möglicher Nachfolger des kranken 82-jährigen Abbas gilt. Noch hält ja US-Präsident Donald Trump an seiner Vision eines "großen Deals" zwischen Israel und den Arabern, der auch die Palästinenser einschließen soll, fest. Ohne diese auf einen Nenner zu bringen, wäre er wohl nicht möglich.

Es ist schwer zu glauben, dass in der Hamas alle gleichsam mit der Aufgabe ihrer Identität – des "Widerstands" gegen Israel – einverstanden sind. Die Sicherheitskräfte der Autonomiebehörde haben einen ganz anderen Daseinszweck als die Qassam-Milizen, die irgendwie zu integrieren wären – allerdings soll deren Chef, Mohammed Deif, explizit für die Versöhnung sein.

Außer ideologischen Hindernissen gibt es auch praktische: Was wird mit den Sicherheitskräften und überhaupt jenen Angestellten der Hamas-Verwaltung passieren, die den Platz für Fatah-Leute räumen müssen? Geld würde helfen – aber Abbas ist dagegen, die von den Vereinigten Arabischen Emiraten angebotene Finanzhilfe anzunehmen. Denn der Mann der Emirate ist Mohammed Dahlan, früher Abbas' Sicherheitschef in Gaza, heute von ihm gehasst. Abbas vergönnt ihm keine Rolle, Dahlan hat jedoch seine Anhängerschaft im Gaza-Streifen. (Gudrun Harrer, 5.10.2017)