Berlin – Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat nach Einschätzung eines Plagiatsprüfers für seinen Glyphosat-Bericht wesentliche Angaben von Herstellern des umstrittenen Unkrautgifts wörtlich übernommen. Es sei "offensichtlich, dass das BfR keine eigenständige Bewertung der zitierten Studien vorgenommen hat", erklärte der Österreicher Stefan Weber, der Sachverständiger für Plagiatsprüfungen ist, am Donnerstag in Berlin.

Über "zahlreiche Seiten hinweg" seien Textpassagen "praktisch wörtlich übernommen" worden, sagte der Experte bei der Vorstellung eines von ihm erstellten Sachverständigengutachtens. Der Bewertungsbericht des BfR und damit die wissenschaftliche Grundlage für die von der EU-Kommission vorgeschlagene Zulassungsverlängerung von Glyphosat für weitere zehn Jahre erfülle in wesentlichen Teilen die "Kriterien eines Textplagiats", erklärte Weber. Das systematische Unterlassen von Quellenangaben und das gezielte Entfernen von Hinweisen auf die tatsächlichen Verfasser lasse sich "nur als bewusste Verschleierung ihrer Herkunft deuten".

Drei ausgewählte Kapitel verglichen

Für das Gutachten verglich Weber im Auftrag der Umweltschutzorganisation Global 2000 drei ausgewählte Kapitel des BfR-Berichts zu den gesundheitlichen Risiken von Glyphosat mit entsprechenden Passagen aus dem Zulassungsantrag der Glyphosat-Hersteller.

Der Einsatz des Herbizids ist in Europa hoch umstritten: Während das Internationale Krebsforschungszentrum die Chemikalie als "wahrscheinlich" krebserregend einstufte, kamen Aufsichtsbehörden in Deutschland und der EU zu einem anderen Schluss. Die EU-Kommission hatte die Zulassung für den Unkrautvernichter vorläufig bis Ende dieses Jahres verlängert.

Bundesinstitut weist Vorwürfe zurück

Das BfR hatte die Plagiatsvorwürfe bereits im September "mit Nachdruck" zurückgewiesen. Diese seien ein "erneuter Versuch, die Glaubwürdigkeit der wissenschaftlichen Institutionen zu diskreditieren, die mit der Bewertung gesundheitlicher Risiken bei Pflanzenschutzmittelwirkstoffen wie Glyphosat beauftragt sind". Das Bundesinstitut habe "keineswegs" die Sicht der Antragsteller und deren Interpretation entsprechender Studien unkritisch und ungeprüft übernommen.

Dass das Plagiieren von Texten aus dem Zulassungsantrag der Industrie nicht nur ein formaler Verstoß gegen die wissenschaftliche Redlichkeit ist, sondern entscheidenden Einfluss auf das Urteil der Behörde hatte, erläuterte Helmut Burtscher-Schaden, Biochemiker bei Global 2000 anhand eines Beispiels: "Die Krebsforscher der WHO erkannten in der überwiegenden Zahl publizierter Studien 'starke Beweise' für eine DNA-schädigende Wirkung, als krebsauslösenden Mechanismus. Doch das BfR widersprach der WHO und erklärte all diese Studien für 'nicht glaubwürdig' oder 'nicht relevant'. Tatsächlich berief sich die Behörde dabei ausschließlich auf die Argumente und Einschätzungen des Antragstellers", argumentierte er in einer Stellungnahme.

Überprüfung anderer Institutionen verlangt

Jetzt sei eine gutachterliche Plagiatsprüfung des gesamten 4.322 Seiten starken Behördenberichts fällig, so Burtscher weiter. Denn das BfR habe in einer Stellungnahme das Abschreiben aus dem Zulassungsantrag der Industrie als übliche behördliche Praxis dargestellt und suggeriert, dass auch andere, an der Erstellung des Berichts beteiligte Institutionen wie das Julius-Kühn-Institut (JKI), das Umweltbundesamt (UBA) oder das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) bei ihren Bewertungen zu Glyphosat derart vorgegangen seien. Das müsse überprüft werden. (APA, 5.10.2017)