Michael Neders "Der Kutscherstreit" war noch 1938 in der Sammlung von Katharina ("Käthe") Kellner beheimatet und gelangte 1950 über die Galerie Würthle in den Bestand des Belvedere.

Foto: Belvedere Wien / Johannes Stoll

Das Gemälde aus dem Jahr 1828 schildert eine Alltagssequenz, in der sich Michael Neder auch selbst verewigte: links im Bild, mit einer Zeichenmappe unter dem Arm.

Foto: Belvedere Wien / Johannes Stoll

Wien – Das Schicksal Katharina Kellners und ihrer Neffen steht in seiner Tragik exemplarisch für jenes abertausender jüdischer Familien. Ihr Ehemann Maximilian war im Dezember 1940 verstorben, sie selbst im Mai 1942 aus einer Sammelwohnung in der Praterstraße in das polnische Izbica deportiert und ermordet worden. Ihr Neffe Karl war 1941 im Lager Theresienstadt umgekommen, sein Bruder Franz, der 1939 über die Tschechoslowakei in die USA flüchten konnte, sollte als Einziger den Holocaust überleben.

Das Vermögen der Familie verfiel aufgrund der elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz zugunsten des Deutschen Reiches. Der Verbleib der in Umfang überschaubaren Kunstsammlung, deren Wert im Juli 1938 mit 19.000 RM beziffert wurde, war gut 75 Jahre unbekannt.

Erste Spuren fanden sich jüngst über die systematische Erforschung der Bestände der Bundesmuseen: etwa eine Miniatur von Philippe Berger, die 1954 über einen Ankauf von der Wiener Kunsthändlerin Melanie Penizek in den Bestand der Albertina gelangte. Im Juli 2014 empfahl der Kunstrückgabebeirat eine Restitution an die Nachfahren. Gleichlautend entschied man in der aktuellen Sitzung am Donnerstag für Michael Neders Der Kutscherstreit aus dem Belvedere. Neder (1807-1882) gilt als Künstler, der von der Forschung lange Zeit unbeachtet geblieben war. Teils lagen die Gründe in seiner Biografie, da er sich den Lebensunterhalt anfänglich in der Schusterwerkstatt seines Vaters in Döbling verdienen musste. Teils lag es an seinem eigenwilligen Stil, der damals wie heute polarisiert, da seine Malweise oftmals als naiv missverstanden wurde. Eine Sichtweise, die das Belvedere im Herbst 2013 mit der ersten allein Neder gewidmeten Museumsausstellung zurechtzurücken versuchte.

Selbst im Bild verewigt

Der Kutscherstreit aus dem Jahr 1828 steht synonym für Neders Motivwelt, die den volkstümlichen Alltag dokumentierte und deren Teil er selbst war. Dementsprechend hatte er sich in diesem Bild auch verewigt, am linken Bildrand, mit einer Zeichenmappe im Arm. Das Gemälde war im Mai 1950 über einen Ankauf bei der Galerie Würthle in die Sammlung des Belvedere gelangt.

In den aktuell ebenfalls vom Beirat behandelten Causen Geza Rado (Heeresgeschichtliches Museum, Triptychon, k.k. Gebirgstruppen beim Manöver, um 1890) und Rudolf Hirschenhauser (Albertina, Gerhard Janssen, Aquatinta einer Hirtenszene) erfolgten die Ankäufe direkt von genannten Personen im Laufe des Jahres 1939. Gemäß Kunstrückgabegesetz handelt es sich um nichtige Rechtsgeschäfte und empfahl der Kunstrückgabebeirat somit die Restitution an die Erben: nach Rudolf Hirschenhauser, der 1951 im Londoner Exil verstarb, und nach Gezas Witwe Pauline Rado, die im 1942 im KZ Theresienstadt ermordet wurde. (Olga Kronsteiner, 6.10.2017)