Es geht wieder recht fidel zu bei den praktisch geschiedenen Koalitionspartnern. Da mag bei TV-Konfrontationen und erst über verdeckte Facebook-Seiten noch so munter angeschüttet werden, geht es um die Bedienung der eigenen Klientel, findet man rasch wieder den guten Draht. Das lässt sich recht gut anhand der geplanten Verschlechterung der Konsumentenrechte bei Lebensversicherungen darstellen, die noch schnell vor der Nationalratswahl beschlossen werden sollte. Obwohl dabei Konsumenten um Milliarden gebracht werden, wurde das Vorhaben geschickt unter dem Radar gehalten. Die Angelegenheit kam letztlich doch noch ans Licht und entblößte eine mehr als schiefe Optik.

Im Parlament eingebracht wurde die Gesetzesänderung von den beiden Justizsprechern von SPÖ und ÖVP. Hannes Jarolim vertritt auch – nicht rein zufällig dem roten Lager zurechenbare – Assekuranzen. Michaela Steinacker hat wiederum viele Jahre in Spitzenfunktionen im Raiffeisen-Sektor verbracht, zu dem bekanntlich die Versicherung Uniqa zählt. Die Novelle wurde zwar am Mittwoch abgeblasen, das dürfte aber nur dem medialen Fokus auf die Sache kurz vor der Wahl geschuldet sein.

Bei derartigen Finten möchte man gar nicht wissen, wer sich sonst noch auf wessen Rechnung für eine Initiative starkmacht. Nicht zuletzt aus der Telekom-Affäre ist ja sattsam bekannt, wie bereitwillig sich manche Politiker für einen Vorstoß einspannen lassen, wenn der richtige Anstoß verabreicht wurde. Nur nebenbei erwähnt: Vor Gericht muss sich im anstehenden Telekom-Prozess kein einziger der Politiker verantworten, von denen eine Vielzahl auf der Beschuldigtenliste stand. Und ebenfalls nur am Rande erwähnt: Die ÖVP kaufte sich von einer drohenden Anklage rund um die Parteienfinanzierung durch eine Werbefirma frei – und das wegen knapper Kassen in Form von Ratenzahlungen.

Die Affäre Silberstein gäbe schon für sich ein farbenfrohes Sittenbild der Politik ab, doch ein paar Vorkommnisse sind durchaus dazu geeignet, das Gemälde noch bunter zu gestalten. Vor allem die rötlichen Tupfer scheinen derzeit en vogue.

Ein erst im Vorjahr abgelöster SPÖ-Bundesgeschäftsführer und mittlerweile Jungunternehmer erhält kurz nach dem Schritt in die Selbstständigkeit einen fetten Auftrag vom Verteidigungsministerium, das bekanntlich von einem Parteifreund geführt wird. Ausschreibung gab es keine, wie der Standard enthüllte. Begründung: Der Mann war der "einzig bekannte Vertragspartner mit der erforderlichen Expertise". Da hat jemand die Losung "Nehmt euch, was euch zusteht" sehr wörtlich genommen.

Die Liste an unsauberen Vorgängen ließe sich verlängern. Sie verdeutlicht, dass die einstigen Großparteien genau nichts verstanden haben. Ob Postenschacher, Schiebung oder Unvereinbarkeit: Die Machenschaften beschädigen die politischen Ämter und vermitteln den Eindruck, Österreich sei auf dem besten Weg in Richtung Kleptokratie. Die Schmutzkübelkampagne von Tal Silberstein, die Rolle der SPÖ und jetzt auch noch der behauptete Abwerbeversuch, den die ÖVP beim Dirty-Campaigning-Experten der Gegenseite unternommen haben soll, vervollständigen das Bild.

Der Wahlkampf ist freilich nur Symptom des Zustands der Regierungsparteien. Ihre Devise: Nehmt euch, solange es noch geht. (Andreas Schnauder, 5.10.2017)