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Kazuo Ishiguro erhielt den Nobelpreis für Literatur 2017 zugesprochen.

Foto: AP / Alastair Grant

Bereits als fünfjähriger Bub kehrte Kazuo Ishiguro seiner Heimat Japan den Rücken. Der Vater des nachmaligen Romanschriftstellers übersiedelte 1960 in das Vereinigte Königreich, um dort als Ozeanograf zu arbeiten. Seine Familie brachte der Weltenbummler mit. Der Aufenthalt am anderen Ende der Welt sollte vorerst nicht länger als zwei Jahre dauern.

Aus einem temporären Projekt wurde eine Lebensentscheidung. Aus heutiger Sicht erscheint Kazuo Ishiguros Laufbahn als nobelpreiswürdiger Autor sogar als bemerkenswert zielstrebig. Auf Studien in Canterbury folgten Schreibkurse in Norwich, der spröden Metropole des britischen Südostens. In den Jahren nach 1980 debütierte Ishiguro mit Kurzgeschichten, daneben lernte er die übrige angelsächsische Welt durch Überseereisen kennen.

Zurückhaltend und sozial engagiert

Man muss sich diesen Intellektuellen als zurückhaltend und sozial engagiert vorstellen. Tatsächlich drücken bereits Ishiguros frühe Romane Zweifel an der moralischen Hinterlassenschaft der Vätergeneration aus. Es sind Ich-Erzähler, die den Schock der totalen japanischen Niederlage verarbeiten (etwa in "Der Maler der fließenden Welt", 1986). Die alten Ideale und Werte halten einer näheren Betrachtung nicht stand. Ishiguro bekannte, der japanischen Literatur weitaus weniger Anregungen zu verdanken als der Filmkunst aus Nippon. Er sei jedoch japanischsprachig aufgewachsen, im Geist überlieferter Werte: "Menschen bilden recht komische homogene Mischungen. Man kann die Anteile nicht fein säuberlich voneinander trennen."

Für "Was vom Tage übrigblieb" (1989) erhielt der Autor den Booker-Preis. Das später mit Anthony Hopkins und Emma Thompson verfilmte Werk zeigt anhand der Zeitreise eines Butlers die Übermacht der Vergangenheit über die Gegenwart. Mit seiner Frau, einer Sozialarbeiterin, und der gemeinsamen Tochter lebt Ishiguro heute in London.

Das schönste Englisch

Manche Kritiker bescheinigen ihm das schönste Englisch. Wieder andere vergleichen ihn mit Proust oder Rushdie. Der Brite aus Nagasaki winkt bei solchen Gelegenheiten ab. Und verblüfft mit Werken über Klone als Organspender. Ishiguro schreibt Liedtexte für die Sängerin Stacey Kent. Er erfindet Fantasy-Landschaften und scheut nicht vor Drachen und Nebel zurück. Nun ist es doch nicht so gekommen, wie von Bewunderer Daniel Kehlmann befürchtet: Ishiguro muss nicht "als Geheimtipp auf die Bestsellerlisten verschwinden". (Ronald Pohl, 5.10.2017)