Die Aushängeschilder des zeitgenössischen Pop aus Austria, Wanda, präsentieren auf ihrem am Freitag erscheinenden Album "Niente" massentauglichen Espresso-Pop.

Foto: Wolfgang Seehofer

Der Titel ist kokett. Niente nennt die Band Wanda ihr heute erscheinendes Album. Das ist Italienisch für "nichts" und wohl ein aufgelegter Elfer für Nörgler und Neider – wir sind immer noch in Österreich -, doch das kann Wanda sich erlauben. Denn mit nichts hat die Band nicht so eine Karriere hingelegt. Und das dürfte sich nicht so schnell ändern, schon heißt das erste Lied ihres dritten Albums seit 2014 Weiter, weiter.

Der Song lässt sich selbstreferenziell deuten. Wanda sind eine der erfolgreichsten heimischen Bands. Das wurden sie unter anderem mit einem Arbeitsethos, für das einst der Begriff Ochsentour erfunden wurde. Unzählige Konzerte im Vollkontakt, zuerst in kleinen Clubs vor einer Handvoll Freunden, dann in immer größeren Sälen, Hallen, bei Festivals, von sieben auf 40.000 Besucher in vier Jahren. An der Börse sagt man da, ihr Kurs zeigt steil nach oben. "Immer leichter wird schwer", singt Marco Wanda aktuell dazu. So viel ironische Brechung muss sein, doch von Resignation ist nichts zu spüren. Am Erfolg scheinen Wanda nicht zu verzweifeln.

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Wanda zählen zu jenen Bands, die deutschsprachige, österreichische Popmusik befreit haben. Zumindest von ihrem Ruf, mehr oder weniger unverkaufbar zu sein. Denn das ist österreichische Musik meistens, wenn sie nicht Volksmusik ist, nicht in Schlager ihr Heil sucht oder von etablierten Künstlern wie Rainhard Fendrich und Co kommt. Doch mittlerweile kann jemand wie Voodoo Jürgens mit grindigen Branntwein-Gstanzln in Deutschland reüssieren und der herkunftsloyal benannte Nino aus Wien sich einer Fangemeinde erfreuen, die beträchtlich weiter reicht, als sein Künstlername vermuten ließe.

In Wanda gipfelt eine Entwicklung, die in den Nullerjahren eingesetzt hatte. Nach dem Wien-Hype der elektronischen Musik in den 1990ern wurden plötzlich auch andere Musikgenres ernstgenommen. Pop aus Austria ging in der Globalisierung auf. Austropop? Niemand geht mit diesem Erbe souveräner um als Wanda. Denn es gibt einen erheblichen Unterschied zur ersten Generation.

Während ein Wolfgang Ambros bald in den von ihm besungenen und bekrittelten Sujets aufging, sind Wanda frei von Raunzertum, dieser österreichischen Hausmarke, der durch die in den 1990ern erfolgte Entscheidung des Senders Ö3, keine heimische Popmusik mehr zu spielen, auch real Nährstoff zugeführt wurde.

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Die ihr kunstvoll verwahrlostes Image pflegenden Wanda haben sogar dieses Dogma gebrochen. Sie füllen mittlerweile die Wiener Stadthalle und hängen schon zu Lebzeiten im Museum – in der aktuellen Ausstellung Ganz Wien über die Geschichte der Popmusik in der Bundeshauptstadt. Nur gerecht.

Die Songs des Michael Marco Fitzthum alias Marco Wanda treffen ein Lebensgefühl. Die eingängig-schunkelnden Songs von Niente bewiesen die Souveränität der Band in ihrem Fach. Ihre Musik war auch noch nie so Espresso-tauglich. Zwar liebäugelten Wanda von Anbeginn an mit dem grindigen Charme dieser Kaffeehäuser für die C-Schicht, doch noch nie hat Wanda diese Vorgabe so sehr eingelöst.

Niente ist die perfekte Jukebox-Musik für diese aussterbende Lokalgattung. Und mit einem Song wie Lascia mi fare schreiben Wanda den dafür unentbehrlichen Italo-Rumpler gleich selbst. Mit Niente gelingt der Band die Punktlandung zwischen vollen Aschenbechern und leeren Herzen, zwischen Reparaturseidl und Fluchtachterl. Lieder wie Columbo, 0043 oder Lieb sein sind zukünftige Evergreens am Tor zur Schlagerhölle.

Darauf einen Slibowitz. Es ist eh schon bald Mittag. (Karl Fluch, 5.10.2017)