Das traurige Fallbeispiel der SPÖ, ob nun mit oder ohne Maulwürfe, zeigt, auf welchem qualitativen Level sich die Politikszene bewegt.

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Geheimpapiere aus den Parteizentralen, Psychogramme der Spitzenkandidaten und weitere mehr oder weniger valide Unterlagen zur politischen Situation der Parteien sind aktuell in Zusammenhang mit dem Nationalratswahlkampf im Umlauf. Welcher der Kandidaten hat möglicherweise ein Glaskinn oder ist gar eine Prinzessin? Wer ist zu radikal oder hat den Putsch seines Vorgängers geplant und ist dadurch wenig redlich?

In den in Strategiepapieren geteilten mehr oder weniger fundierten Einschätzungen schwingen auch gewollt Attributionen von Eigenschaften in Bezug auf die Spitzenkandidaten mit. Dies wird gezielt eingesetzt, um den jeweiligen Mitbewerber im politischen Wettkampf in ein bestimmtes Licht zu setzen in der Hoffnung, dass bis zum Wahlabend einige dieser Zuschreibungen am adressierten Politiker kleben bleiben. Auch wird immer häufiger versucht, die Kandidaten der politischen Gegner durch bestimmte Psychotechniken und Dirty Campaigning zu verunsichern oder gar ganz aus dem Tritt zu bringen. Welchen Einfluss hat der Einsatz dieser Methoden auf die Dynamik und den Verlauf der Wahl und, noch viel wichtiger, auf die Wähler?

Dirty Campaigning und Psychotechniken im Wahlkampf

Ein oder mehrere Maulwürfe, Spindoktoren, Berater, Coaches und Medientrainer – der Politiker von heute ist irgendwie arm. Er benötigt eine Heerschar an Unterstützern und zugekauften Experten. Das alles nur, um Kernparameter wie Geradlinigkeit, Werte und persönliche Substanz zu kompensieren. Das traurige Fallbeispiel der SPÖ, ob nun mit oder ohne Maulwürfe, zeigt nur eindrucksvoll auf welchem qualitativen Level sich die österreichische Politikszene bewegt. Dass jemand sein Einkommen mit Beratertätigkeiten oder als Experte bestreitet ist nichts Verwerfliches. Hier gilt das alte Prinzip "leben und leben lassen".

Was sagt es jedoch über das Qualitätsbewusstsein der beauftragenden Politiker aus, wenn hier offensichtlich in einem Pool gefischt wird, in dem die berufliche Profilierung oftmals aus Mangel an Fachkompetenz vor allem über die überlegene Skrupel- und Anstandslosigkeit erfolgt? Die Causa des israelischen Top- und nunmehr für seinen Klienten bittererweise Flopkonsulenten zeigt ein Sittenbild unseres schönen Landes auf, das sich nicht nur in der Politik sondern auch in der Wirtschaft und im öffentlichen Bereich wie ein Virus verbreitet hat. Gurus und Zauberer werden in verschiedenen gesellschaftlichen Sektoren gehandelt wie Hollywoodstars. Doch wie in der amerikanischen Traumfabrik werden oft nur Träume gehandelt, die am Ende des Tages für die Einkäufer der Ware zum Albtraum werden können.

Politische Abwehrmechanismen

Es ist naheliegend, dass ein derartiges Qualitätsbewusstsein in Bezug auf das politische Berater- und Mitarbeiterpersonal zu einem signifikanten Anstieg der Politikverdrossenheit bei den Wählern führt. Vor allem wenn sich die betroffenen Politiker – und manchmal die medienbewussten Berater selbst – gerne öffentlichkeitswirksam als Saubermänner und -frauen mit hypermoralischer Verve in Szene setzen. Am liebsten natürlich, wenn es um die Verfehlungen des jeweils gegnerischen Lagers geht. Wer gesinnungsethisch hoch segelt, fällt umso tiefer und härter auf den Boden der Realität und Verantwortung.

Wie die Zivilisationsgeschichte zeigt, führen mehr moralische Gebote meist nicht zu einer höheren Moral, sondern eher zu einem Anstieg der Heuchelei. Bei manchen Politikern entstehen anscheinend durch ein bewusstes oder unbewusstes Gefühl der Minderwertigkeit frei nach Alfred Adler psychodynamische Mechanismen wie Verdrängung, Abwehr und Kompensation der eigenen Schwächen. Aus diesem tief verwurzelten Minderwertigkeitsgefühl heraus werden Hilfs-Ichs in Form von Beratern angeheuert. Das traurige Resultat dieser politischen Abwehrmechanismen und eines solchen Qualitätsstandards sieht man in der aktuellen Politposse rund um die SPÖ. Am Ende bleibt nicht nur der Politiker auf der Strecke, sondern, was noch dramatischer, ist der Wähler und sein Vertrauen in Politik und Demokratie. (Daniel Witzeling, 6.10.2017)